Sollte sie ihr Wort tatsächlich halten, betritt Vicky Leandros an diesem Dienstagabend zum allerletzten Mal einen Berliner Konzertboden. Bereits drei Minuten vorher hat sich die Band auf der Bühne breitgemacht und als Apéritifouvertüre ganz kurz ihre größten Stücke anklingen lassen. Danach schreitet sie ins Rampenlicht: die Garderobe glänzt, ein Lächeln. Noch bevor auch nur ein einziger Ton ihren Mund verlassen hat, erhebt sich das Publikum von seinen Sitzen. Es erweist Ehre, wem Ehre gebührt.

„Après toi“ lautet der erste Titel im Repertoire. Vor mehr als einem halben Jahrhundert verzückte Leandros damit als Zwanzigjährige einen ganzen Kontinent. In Edinburgh gewann sie 1972 mit dem herzgebrochenen Chanson für Luxemburg den Eurovision Song Contest: „Nach dir werde ich nur ein Schatten sein von deinem Schatten“, heißt es übersetzt.

Damals wie heute schwanken ihre Gesten, wie es sich für eine große Chansonnière gehört, zwischen aristokratischem Pathos und umsichtiger Nonchalance. Damals trug sie ein schwarzes Kleid und eine Kirschbrosche über ihrer rechten Brust. Heute funkelt sie silbern inmitten einer kirschrot erleuchteten Bühne.

Zum Dank für den Beifall schwenkt Leandros die Hüften. Dann zeichnet sie den viertausend Besuchern ihren Lebensweg: Geboren auf der griechischen Insel Korfu, lernte sie laufen und sprechen am Hafen von Piräus. Als Fünfjährige übersiedelte sie mitsamt ihrer Eltern in eine Hamburger Straße namens Blumenau. Sie erzählt, wie sie nach Schulschluss mit ihren Freundinnen bei einer Bäckerei Halt machte, um Rumkugeln zu naschen. Daheim angekommen, habe sie sich vier oder fünf Stunden vor den Plattenspieler gesetzt und gesungen. Ihr großes Vorbild hörte auf den Namen Ella Fitzgerald, the First Lady of Song.

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gestern

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