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Nicht bloß wegen der DDR: Die Unterschiede zwischen Ost und West liegen viel tiefer

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30.09.2024

Osten und Westen sind seit weit mehr als tausend Jahren geteilt. 40 Jahre machten Grenzzäune und Mauern aus Eisen und Beton Trennungen von Landstrichen sichtbar, die historisch, geografisch, klimatisch ohnehin grundverschieden waren. 40 Jahre – der Zeitraum erscheint nur groß, solange man ihn aus nächster Nähe wahrnimmt.

In so kurzer Zeit kann eine Bevölkerung keine besondere, neue Mentalität entwickeln und festigen. Vielmehr sind Eigenarten auffällig geworden, die die gesellschaftliche Landschaft Ost zuvor schon über Jahrhunderte geformt hatten. Im langen historischen Zeitstrahl erhebt sich die DDR als Sonderperiode höchstens als Buckelchen.

Viele der DDR zugeschriebenen Spezifika haben alte bis uralte Vorläufer und Vorbilder – in Germania Slavica, in der Markgrafenzeit, unter Preußenkönigen, aus den Weimarer und NS-Jahren. Trotzdem wurde nach dem Entstehen der neuen Bundesrepublik 1990 die Frage, ob und wann sich Hüben und Drüben angleichen würden, mit Blick auf eine oder zwei Generationen diskutiert.

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So kam es, dass DDR-Belanglosigkeiten aufgeblasen wurden: Da wurde der Zoni für verhaltensgestört erklärt, weil Zwangstöpfung seine frühe Kindheit zur Qual gemacht habe. Ein singulärer Babymord, verübt durch eine brandenburgische Mutter, wurde mit der Zwangskollektivierung in der sozialistischen Landwirtschaft erklärt. Die „Diktatursozialisierung“ habe Demokratieunfähigkeit zur Folge. Der überwiegende Atheismus habe massenhaft seelische Krüppel erzeugt. Sie erinnern sich sicherlich an das viele dumme Zeug.

Andererseits war doch etwas dran, wenn West-Analysten am Ossi Eigentümliches entdeckten. Schwachen Freiheitselan zum Beispiel, Zögerlichkeit beim selbstständigen, risikofreudigen Handeln, einen Hang zum Kollektiven, auch Gemeinschaftssinn genannt. Im Osten ist man in der Tat schnell dabei, wenn es gilt, einem voranstürmenden Individuum den Stempel „rücksichtsloser, gieriger, kalter Egoist“ aufzudrücken.

Es ist auch schwer zu bestreiten, dass die Kuhwärme sozialistischer Einstallung die Eigeninitiative vieler DDR-Insassen lähmte. Allerdings: Das Prinzip „die Obrigkeit soll sich mal kümmern“ kannten nicht nur die Ossis, und sie kannten es nicht erst aus DDR-Tagen, sondern auch von Opas Erzählungen aus gutsherrlicher Vergangenheit. Wo also liegen die Trennlinien?

Kurz nach dem Elbe-Hochwasser von 2013 stellte die Frankfurter Allgemeine Zeitung verdattert fest: „Es gibt einen Ost-West-Gegensatz beim Wetter. Als würde sich die Klimascheide nach........

© Berliner Zeitung


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