Wer hat Angst vor Ingrid Newkirk? Als Gründerin der weltgrößten Tierrechtsorganisation Peta gilt sie vielen als erklärte Feindin der internationalen Modeindustrie, die von Wolle bis Pelz viele tierische Materialien verarbeitet. Zahllose gestürmte Laufstege und beschmierte Schaufenster liegen hinter der 75-Jährigen. Grund genug für unseren Stilchef, die Ur-Tierrechtlerin einmal persönlich zu treffen.
Vor wenigen Wochen war Newkirk, die ihre Organisation 1980 in den USA gegründet hatte, nach Frankfurt am Main gereist. Dort feierte sie das 30. Jubiläum der deutschen Peta-Sektion, die neben dem Hauptsitz in Stuttgart auch ein Berliner Büro unterhält, mit einer Art Geburtstagsessen für wichtige Spenderinnen und Spender – in einem veganen Sternerestaurant, versteht sich.
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Wir haben Ingrid Newkirk vorab in ihrem Hotel getroffen und sie als eine Frau erlebt, die nicht nur stören und zerstören, sondern vor allem überzeugen will. Mit Argumenten, mit Alternativen – und auch mit einer gesunden Portion Humor.
Frau Newkirk, auch wenn ich seit 15 Jahren Modejournalismus mache, habe ich nur vor wenigen Terminen so lange nachgedacht, was ich anziehen soll, wie heute. Können Sie das wertschätzen – auch wenn es mir vor allem darum ging, hier keine schlechte Stimmung zu provozieren?
Ja, das kann ich. Weil es von Respekt für meine Arbeit zeugt. Sie wissen offenbar nicht nur um meine Überzeugungen, sondern auch, was ich in den vergangenen Jahrzehnten alles miterleben und sehen musste. Ich war in zahllosen Schlachthäusern und anderen Firmen, in denen Tiere qualvoll getötet werden. Nehmen wir nur Angora, ein fluffiges, weiches Kaninchenhaar, bei dem viele Menschen denken, es würde den Tieren bloß abgeschnitten. Aber das stimmt nicht: Einige unserer Aktivistinnen und Aktivisten haben in chinesischen Angorafarmen mit eigenen Augen gesehen, wie die Tiere festgeschnallt und bei lebendigem Leibe gerupft werden, ohne jede Betäubung, unter schrecklichen Qualen und Schreien.
Also wäre die Atmosphäre unseres Gesprächs tatsächlich eine andere gewesen, wenn ich heute im Angorapulli vor Ihnen sitzen würde?
Die Atmosphäre vielleicht nicht, aber der Inhalt zunächst schon. Ich hätte Sie respektvoll gefragt, ob Ihnen überhaupt bewusst ist, unter welchen Umständen dieser Pullover entstanden ist. Denn ich muss ja davon ausgehen, dass Sie vielleicht gar nicht so viel wissen wie ich. Auch ich selbst habe, bis ich ungefähr 19 Jahre alt wurde, Pelze besessen und getragen, obwohl ich Tiere schon immer liebte. Ich fand einfach, dass ich fantastisch aussah, und habe mir schlichtweg keine Gedanken darüber gemacht zu welchem Preis. Also würde ich auch Sie erst einmal fragen, ob ich Ihnen erzählen darf, was in Angora-Farmen passiert.
Kommt es denn oft vor, dass Sie solche Unterhaltungen anstrengen?
Heute kommt das tatsächlich weniger oft vor als noch vor Jahren. Weil zum Beispiel Pelze und viele andere ganz offensichtlich unter Tierleid entstandenen Kleidungsstücke kein so großes Thema mehr sind. Wenn ich aber doch mal jemanden in einem Pelzmantel sehe, dann verstehe ich es als meine Verantwortung, diese Person freundlich anzusprechen: „Entschuldigen Sie, das ist ein schöner Pelz, auch ich selbst habe früher solche Mäntel getragen. Aber heute weiß ich, wie sie produziert werden, darf ich auch Ihnen davon erzählen?“ Wenn diese Person das dann überhaupt nicht hören will, dann weise ich sie darauf hin, dass ich immerhin so nett war, den Dialog zu suchen – während ganz, ganz viele andere Menschen genauso denken wie ich, auch wenn sie nichts sagen. Vielleicht begreift diese Person dann, dass ihr Umfeld ihre Kleiderwahl abstoßend findet, und entscheidet sich beim nächsten Mal gegen den Pelz.
Klingt fast nach einer guten Tat an Tier und Mensch. Sie sagten eben, Pelze seien heute kein so großes Thema mehr. Das war in den Achtzigern, als Sie Peta gegründet haben, anders.
Das ist richtig. Pelze wurden damals........