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Warum wir die Wahrheit über die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines nie erfahren werden

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26.08.2024

Anfang September 2022 legte die Andromeda in Rostock ab, mit fünf Männern und einer Frau an Bord. Gemietet worden war sie von einer polnischen Firma, die Personen mit ukrainisch-klingenden Namen gegründet hatten. Die Besatzungsmitglieder hatten alle Taucherfahrung und Taucherausrüstung an Bord. Sie legten noch am gleichen Tag zuerst auf Rügen an, am nächsten Tag im polnischen Kolberg/Kołobrzeg und auf einer kleinen dänischen Insel an. Danach kehrten sie zurück nach Rostock, machten das Boot sauber und verschwanden. Am 26. September, also fast drei Wochen nachdem die Andromeda in der Nähe der Nord-Stream-Gas-Pipelines gewesen war, gab es dort eine Unterwasserexplosion, die die Pipelines in Stück riss. Danach erst, also Wochen nach ihrer Rückkehr nach Rostock, untersuchten Ermittler die Jacht und fanden dabei Sprengstoff-Spuren.

Soweit Journalisten bisher Mitglieder der Bootsbesatzung ausfindig machen konnten, bestritten sie alle, mit dem Anschlag auf Nord-Stream etwas zu tun zu haben. Keine Terrororganisation, kein Staat hat sich bisher dazu bekannt. Alle anderen betroffenen Länder, von Schweden über Polen bis Dänemark, haben ihre Ermittlungen inzwischen eingestellt. Der Bundesanwalt hat jetzt erfolgreich einen Haftbefehl gegen einen ukrainischen Staatsbürger beantragt, der zur Andromeda-Besatzung gehören soll und sich in Polen in einer Gemeinde westlich von Warschau aufhielt. Vermutlich um ihn nicht zu warnen, wurde der Haftbefehl aber nicht in die Schengen-Datei SIS eingetragen (die jeder Polizist in Europa einsehen kann), weshalb der Gesuchte Polen unbehelligt verlassen konnte. Kann sein, dass er gewarnt wurde, kann sein, dass die polnischen Behörden zu langsam auf den deutschen Haftbefehl reagierten, kann sein, dass die linke Hand in Polen (der Grenzschutz) nicht wusste, was die rechte Hand (der Inlandsgeheimdienst) wollte. In Polen gibt es inzwischen über ein Dutzend Geheimdienste und geheimdienst-ähnlicher Organisationen, die sich in die Quere kommen können und der Grenzschutz ist davon vollkommen getrennt.

Wall Street Journal: Ukraine hinter Nord-Stream-Sprengung, Berlin wusste Bescheid

17.08.2024

Das ist nicht der einzige Unterschied: In Deutschland sind manche empört über die Nord-Stream-Sprengung und betrachten sie als Terroranschlag und schwere Schädigung deutscher Interessen, während andere sie mit Genugtuung als Akt nunmehr unumkehrbarer Emanzipation von russischem Gas ansehen. In Polen sind praktisch alle über die Explosion in der Nordsee erfreut gewesen. Niemand fordert dort, wie jetzt AfD, BSW, die Linke, oder die niederländischen Rechtspopulisten, den Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine oder, wie die österreichischen Rechtspopulisten, die Einstellung von Hilfszahlungen an die Ukraine.

Nach dem deutschen Haftbefehl, den Vorwürfen im US-amerikanischen, den Republikaner nahestehenden Wall Street Journal über eine ukrainische Verschwörung zur Beseitigung der Nord-Stream-Pipeline und den deutschen Pressevorwürfen darüber, dass Polen den verdächtigen Ukrainer ausreisen ließ, liegen in Warschau nun die Nerven blank. Premierminister Donald Tusk auf X: „An alle Initiatoren und Förderer von Nord Stream 1 und 2: Das Einzige, was Sie heute tun sollten, ist, sich zu entschuldigen und zu schweigen.“ Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock schweigen dazu. Und damit gehen sie mit gutem Beispiel voran.

23.08.2024

24.08.2024

•gestern

Nord-Stream-Sprengung: Wie die „Tagesschau“ unkritisch die Sprache der deutschen Behörden übernimmt

18.08.2024

Um Missverständnisse zu vermeiden: ich bin nicht der Meinung, dass wir, weil uns am Ende vielleicht das Ergebnis nicht gefällt, erst gar keine Nachforschungen nachstellen sollten. Kann sein, dass das Ergebnis Wasser auf die Mühlen des Kremls ist, aber das sind die Gerüchte, die jetzt in die Welt gesetzt werden, auch schon. Ich bin dagegen der Ansicht, dass es sinnlos und unverhältnismäßig ist, Ermittlungen anzustellen in einem Fall, bei dem von Anfang an keine Chance besteht, die Hintermänner und die genauen Umstände zu ermitteln und die Täter zu bestrafen. Und ich finde, dass wir alle, Journalisten, Politiker und vor allem Medienkonsumenten gerade dabei sind, uns ganz gewaltig ins Bockshorn jagen zu lassen. Um zu verstehen, wieso, kommt jetzt ein kleiner Ausflug in die Vergangenheit und zu einer Affäre, die eine Gesellschaft noch mehr aufgerüttelt hat als der Krieg in der Ukraine und die Nord-Stream-Affäre das bisher in Deutschland geschafft haben.

Am 9. August 1996 wurde die damals vierzehnjährige Laetitia Delhez auf dem Heimweg vom Schwimmbad von zwei Fahrern eines weißen Lieferwagens entführt. Ein Zeuge erkannte das Autokennzeichen und kurz darauf nahm die Polizei ein Ehepaar und einen weiteren Mann in ihrem Haus im südbelgischen Charlerois fest. Die Hausdurchsuchung erbrachte zunächst nichts Neues, aber dann gestanden die beiden Männer und führten die Polizisten noch einmal durchs Haus – in ein Verlies unter dem Haus, in dem zwei Mädchen, darunter........

© Berliner Zeitung


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