Selten in den vergangenen Jahren waren die widerstreitenden Kräfte in China so offensichtlich wie bei der diesjährigen Tagung des nationalen Volkskongresses, dem nicht frei gewählten Parlament. Das konnte auch der erste Arbeitsbericht des neuen Premierministers Li Qiang nicht verbergen. Er hatte im vergangenen Jahr die Regierungsgeschäfte übernommen.
Sein Report ist mit einer Regierungserklärung im Westen vergleichbar. Der Premier berichtet, was die Regierung geschafft hat, aber auch, wo sie hinwill. Gleichwohl fehlte die folgende Aussprache, wie sie in westlichen Demokratien üblich ist. Der Arbeitsbericht, den es nur einmal im Jahr gibt, bleibt unwidersprochen.
Der Report ist auch keine Rede zur Lage der Nation, wie US-Präsident Joe Biden sie kürzlich gehalten hat. Dazu ist er zu detailliert. Die Rede zur Lage der Nation ist dem Staats- und Parteichef Xi Jinping überlassen. Sie ist genereller und allgemeiner gehalten. Dennoch gilt der Arbeitsbericht als das Ergebnis eines offensichtlich schwierigen Konsenses widerstreitender Kräfte innerhalb der Kommunistischen Partei. Und genau deshalb ist er interessant.
Wie in einer Regierungserklärung betonte der Premier zunächst, was gut gelaufen ist. Die Volksrepublik hat mit 18 Prozent Anteil an der Weltwirtschaft 30 Prozent zu deren Wachstum beigetragen – mit einem Rekord beim Handelsbilanzüberschuss von 825 Milliarden US-Dollar, niedriger Inflation, wenigen faulen Kredite, kaum Auslandsschulden und Devisenreserven, die zu den höchsten der Welt gehören. Das private Haushaltseinkommen ist dem Wachstum entsprechend gestiegen. Das Wachstum hat sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.
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11.03.2024
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So weit stimmt alles. Es reicht jedoch den Konsumenten und Investoren nicht. Die Marktteilnehmer betonen die Schwachstellen Chinas: Hohe Jugendarbeitslosigkeit, Immobilienkrise, der Handelseinbruch mit minus 4,6 Prozent bei den Exporten und minus 5,5 Prozent bei den Importen, einem Staat, der Spielregeln plötzlich ändert und die Re-ideologisierung vorantreibt. Und sie finden, dass ein Wachstum von gut 5 Prozent zwar grundsätzlich okay ist, aber nach 2022 mit nur 3,2 Prozent hätten sie mehr erwartet.
Die Marktteilnehmer glauben zwar nicht, dass Chinas Wachstumsphase zu Ende ist, aber sie wollen bessere Rahmenbedingungen für ihre Investitionen. Sie wollen wie früher in solchen Phasen ein großes Konjunkturprogramm. In seinem Arbeitsbericht sagte Premier Li jedoch klipp und klar: Das bekommt ihr nicht.
Im Grunde bleiben die Ziele die gleichen wie im vergangenen Jahr: nur wenig mehr Geld für die Lokalregierungen. Das Defizit darf nur 3 Prozent betragen. Bei einem Wachstum von rund 5 Prozent sollen, wie im vergangenen Jahr, 12 Millionen neue Jobs geschaffen werden. Das persönliche Einkommen soll wieder in derselben Höhe wachsen wie die Wirtschaft. Doch insgesamt tritt die Regierung auf die Schuldenbremse – insofern ist die Konfliktlinie nicht viel anders als in Deutschland.
Eine „Sorgenfrei-Konsumieren-Initiative“ soll........