Bruchbuden in Berlin: Was Mieter ertragen müssen
Jörg S. kocht seit drei Jahren auf dem Balkon. Hier brutzelt er auf seiner kleinen Kochplatte am liebsten ein Bauernfrühstück. Meist kommt er erst spätabends von der Arbeit nach Hause, wenn es schon stockfinster ist. Im Winter steht er dick eingemummelt an Pfanne und Kochtopf. Spaß macht ihm das nicht. Doch bleibt ihm nichts anderes übrig, seitdem er seine verschimmelte und aufgequollene Küche hat entsorgen müssen.
Jörg S. wohnt seit 18 Jahren in einem Haus, keine fünf Minuten zu Fuß vom Wannsee entfernt. In unmittelbarer Nähe befinden sich die stattliche Max-Liebermann-Villa und das Haus der Wannsee-Konferenz – beste Lage. Doch die Straße, in der Jörg S. lebt, wirkt geradezu dystopisch. Hier leben Geflüchtete auf engem Raum in einem Heim, im Gebäude kümmern Pfleger sich um psychisch Erkrankte. Das Haus, in dem Jörg S. lebt, ist eine Bruchbude.
So ähnlich wie Jörg S. geht es manchem Mieter der Gewobag, wie die Berliner Zeitung erfuhr. Die Gewobag ist eine von sechs kommunalen Wohnungsunternehmen in Berlin und bewirtschaftet 74.000 Wohnungen, das heißt, sie vermietet und verwaltet das Eigentum des Landes Berlin, ist aber ein eigenständiger Konzern. Die Wohnungen sind begehrt, denn: Die Miete ist vergleichsweise günstig und Eigenbedarfskündigungen sind nicht zu erwarten. Daher investieren Mieter oftmals in die Wohnungen als wären es ihre eigenen.
Als Interessenvertreter der Mieter ist der Mietervereien jedoch anderer Meinung. Die Gewobag sei berüchtigt, sagt die Vereinsgeschäftsführerin Ulrike Hamann-Onnertz. Die Gesellschaft sei bekannt für „schlechte Instandhaltung. Oft beschweren sich Mieter und Rechtsberater, dass die Gewobag nicht erreichbar ist, nicht antwortet, an den Häusern nichts macht.“
Vor vier Jahren hatte Jörg S. den ersten Wasserschaden im Bad – ein Rohr war verstopft. S. rief den Klempner, doch der schlampte. Feuchtigkeit breitete sich aus. Nach ein paar Monaten trafen Spezialisten zur Bestandsaufnahme ein, erzählt Jörg S. Auch die halfen nicht. Wieder ein paar Monate später wurden zumindest die 50 Jahre alte Badewanne ersetzt und die Fliesen erneuert. Doch daraufhin habe es die „totale Überschwemmung“ gegeben.
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02.10.2024
Erneut kamen Fachleute. Die stellten fest, dass Bauschutt im Abfluss verblieben war. Auch Versicherer ließ Jörg S. in seine Wohnung. Doch es blieb unzumutbar. Seine Freundin weigert sich deshalb bis heute, ihn zu Hause zu besuchen. Der geplagte Mieter telefonierte und mailte und telefonierte und mailte. Passiert sei nichts. Hinzu komme Asbest im Fußboden. „Ich bin einige Defizite gewohnt“, sagt Jörg S. phlegmatisch. Er hat zuvor 20 Jahre in Kuba gelebt. In dem sozialistischen Land waren die Mängel teils gravierender.
Seine Wände hier in Berlin wurden immer feuchter und die Küchenmöbel sogen sich voll Wasser. „Das hat so gestunken“, sagt Jörg S. und berichtet, dass er mit einem seiner Sprinter die Möbel zum Sperrmüll gebracht habe. Schließlich trafen laut S. Führungskräfte der Gewobag und nochmal Versicherer und Rückerversicherer ein. Die Experten rieten Jörg S., im Sitzen zu duschen, weil die Fliesen nicht hoch genug seien. So weit, so unnormal.
Jörg S. sagt, er habe sich auch an den Hausmeister gewandt. Doch der war „nicht zuständig“. Der 59-Jährige resigniert: „Irgendwann gibt man auf.“ Und: „Ich ziehe eh den Kürzeren.“
Die Berliner Zeitung bat die Gewobag um Stellungnahme. Auf die Vorwürfe des Mieters heißt es: „Der Wasserschaden sowie entsprechende Folgeschäden werden selbstverständlich beseitigt.“ Es treffe zu, dass in den Wohnungen des Gebäudes Bauteile mit festgebundenem Asbest verbaut seien. Festgebundener Asbest gilt als weniger gefährlich als schwachgebundener. Seit 1993 darf dieser Baustoff in Deutschland weder hergestellt noch verbaut werden.
Ein Entfernungsgebot gibt es jedoch nicht, deshalb findet sich Asbest noch in vielen älteren Wohnungen, so wie offenbar in der Wohnung von Jörg. S. Der Fußboden in der........
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