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Sohn eines Kindersoldaten: Der lange Schatten von Hitlers Volkssturm

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18.10.2024

Dies ist ein Open-Source-Beitrag. Der Berliner Verlag gibt allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten.

Am 18. Oktober jährt sich die Ausrufung des sogenannten „Deutschen Volkssturms“ zum 80. Mal. Mein Vater, Jahrgang 1928, wurde im Alter von 16 Jahren eingezogen, wie hunderttausende andere seiner Altersgenossen. Von der Hitlerjugend aus ging es für ihn direkt in den Krieg: Er wurde Kindersoldat. Als sein Sohn habe ich wiederum erfahren, was es bedeutet, wenn Menschen im Krieg psychisch schwer geschädigt werden.

UNICEF, terre des hommes und Amnesty International bezeichnen Kämpfer und deren Helfer unter 18 Jahren als Kindersoldaten. Kinder und Jugendliche sind leichter rekrutierbar als Erwachsene, zudem gelten sie als risikobereiter. Ihr Einsatz im Krieg stellt einen schwerwiegenden Missbrauch dar. Die Persönlichkeitsentwicklung von Kindersoldaten wird gravierend beeinträchtigt, posttraumatische Belastungsstörungen sind besonders häufig. Die Folgen eines Traumas sind generell umso größer, je jünger ein Mensch zum Zeitpunkt der Traumatisierung ist. Das Spektrum der psychischen und sozialen Folgen von Traumatisierungen geht weit über Flashbacks hinaus. Und sie werfen ihren Schatten über Generationen hinweg.

Mein Vater hat nie mit uns Kindern über seelische Verletzungen gesprochen. Und immerhin hat er studiert, geheiratet, mit meiner Mutter drei Kinder aufgezogen und wurde 78 Jahre alt. Dennoch blieb er sein Leben lang ein menschenscheuer Einzelgänger. Selbst im Kaufhaus kam es vor, dass Angestellte Abstand nahmen, weil ihnen das fremdartige Verhalten meines Vaters bedrohlich vorkam. Mein Vater hatte einzelne Freunde, aber ein familiärer Freundeskreis kam nie zustande.

Auch ich vermied es schon als Kind, meine Freunde mit nach Hause zu bringen. Die Atmosphäre in meiner Familie war wegen meines sonderlichen Vaters unheimlich. Es ist mir nicht bekannt, dass mein Vater je professionelle Hilfe gesucht hätte. Ohne Auseinandersetzung mit seinen Traumata hätte er allerdings vermutlich besser keine Familie gründen sollen. Vor allem meine beiden älteren Geschwister haben sehr unter meinem Vater gelitten, mit Erreichen der Volljährigkeit zogen sie umgehend aus. Kurz darauf packte auch meine Mutter ihre Sachen. Ich war das Nesthäkchen und hatte zugleich die engste Beziehung zu meinem Vater, und so blieb ich. Doch letztlich hielt auch ich es nicht mehr aus: Noch vor meinen Abiturprüfungen suchte ich das Weite. Mit etwas Distanz verbesserte sich die Beziehung zu meinem Vater wieder, und ich begann, über seine Lebensgeschichte nachzudenken.

Schon sein Vater, mein Großvater, war als sehr junger Mann im ersten Weltkrieg gewesen. Auf die........

© Berliner Zeitung


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