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Mehr als Katastrophen-Rhetorik? Warum wir Klima-Kipppunkte nicht verharmlosen dürfen

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25.11.2024

Dies ist ein Open-Source-Beitrag. Der Berliner Verlag gibt allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten.

Thomas Brussig ist fasziniert vom Thema Kipppunkt. Ängstigende Prozesse, die sich stark beschleunigen und dann in Katastrophen münden können, und bei denen Millionen Menschenleben auf dem Spiel stehen. Während die instinktive Furcht uns vor unmittelbarer Gefahr warnt, verweist Angst auf weiter entfernte Risiken. Wem es gelingt, unsere Ängste zu steuern, der kann uns beeinflussen. Oft genug werden damit Ziele verfolgt, für die es im demokratischen Verfahren keine Mehrheiten gäbe, Vorsicht ist also geboten. Aber zwischen Angst und Unglück liegt genug Zeit, um die Vernunft hinzuzuschalten.

Brussig untersucht zu Recht, ob im Fall der „Tipping Points“ das Ausmaß der Angst gerechtfertigt ist. Er kommt dabei zu dem Schluss, dass die Gefahren vor Kippprozessen in der Klimaentwicklung übertrieben werden. Gekippte Gewässer erholen sich wieder. Wo Permafrost war, können Bäume künftig CO2 binden. Je genauer man Systeme betrachte, als umso stabiler würden sie sich erweisen. Brussig sieht sich im Ergebnis seiner Überlegungen in einer Art Horrorfilm. Irgendjemand will ihn gezielt erschrecken, aber er sitzt nur im Kino.

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Aber was, wenn der Schrecken kein Film ist, keinem Drehbuch folgt? Dafür spricht viel. Millionen Menschen erfahren realen klimainduzierten Horror, in Überflutungen, Schlammlawinen, Dürren, Waldbränden und nicht zuletzt in Kriegen um Ressourcen. Brussig beruhigt sich mit dem Vergleich, dass ein Würfel kippen kann, dass er aber deswegen als Würfel nicht verschwindet. Klassische Spielwürfel zeigen jedoch nicht nach jedem Kippen dieselbe Zahl. In einem Fall steht die Augenzahl für den Tod vieler Menschen. Extinction Rebellion warnen gewissermaßen vor einem Würfelkippen, bei dem die angezeigte Augenzahl bedeutet, dass menschliches Überleben auf der Erde unmöglich wird.

Folgt man Brussig, ist die Letzte Generation auf ein Angst-Narrativ hereingefallen. Die Kipppunkte wären zum G8-Gipfel 2005 in Gleneagles von Tony Blair als Ablenkungsmanöver in Szene gesetzt worden. Nun ist Tony Blair lange weg, Brussig sieht aber weiterhin ein Angstpotential der Kippunkte.

Wer also sind heute die Angstmacher? Zu den üblichen Verdächtigen gehören Regierungen und international tätige Großkonzerne. Im Fall der........

© Berliner Zeitung


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