Bücher, Artikel und Postings über „toxische Männlichkeit“ liegen im Trend. „Alte weiße Männer“ hat sich als abwertender Begriff längst etabliert. Frauen wollen laut TikTok-Umfrage mehrheitlich lieber im Wald einem Bären als einem fremden Mann begegnen. Und überhaupt: men are trash. In der Regel verstehen sich die Attacken auf althergebrachte Männlichkeitsbilder und typisch männliches Fehlverhalten als progressiv. Allerdings ist die Abwertung des männlichen Geschlechts uralt und erfüllt im Patriarchat wichtige Funktionen.
2020 erschien das Buch „Ich hasse Männer“ von Pauline Harmange. Der aus dem Französischen übersetzte Essay geht dem Gedanken nach, ob es für Frauen und nicht binäre Menschen nicht befreiend sein müsste, heterosexuelle Männer abzulehnen und ihnen misstrauisch zu begegnen. Dadurch würden Wege zu mehr Solidarität unter Nicht-Männern frei und die antrainierte Unterwürfigkeit gegenüber dem „starken Geschlecht“ untergraben, das in Wirklichkeit faul, feige, gewalttätig und egoistisch sei.
Das Buch wurde in deutschen Zeitungen häufig besprochen, löste aber keine Proteste von Männern aus. Hätte das Buch „Ich hasse Frauen“ geheißen und wäre von Paul Harmange geschrieben worden, wäre die Reaktion mit großer Wahrscheinlichkeit eine andere gewesen. Warum aber gab es zumindest in Deutschland von den Männern und ihren Allies keinen Aufschrei? Weil Männer eh kaum Bücher lesen? Weil Männer sich nicht als Opfer sehen? Weil Männerhass nicht gefährlich erscheint, während Frauenhass jährlich zu vielen Gewalttaten und Toden führt und Männer sowieso fast immer die Übeltäter sind? Oder vielleicht einfach auch deshalb, weil Männer die Vorwürfe, sie seien das miese Geschlecht, schon lange kennen?
Tatsächlich ist trotz aller Privilegien die Abwertung des männlichen Geschlechts so allgegenwärtig, dass man sie in der Regel gar nicht wahrnimmt. Es ist normal, dass man im Kino lacht, wenn auf der Leinwand eine Frau einem Mann ins Gesicht schlägt, es registriert, wenn Männer sich prügeln, und erschreckt zusammenzuckt, wenn ein Mann eine Frau schlägt.
Es ist völlig okay, dass man Männer als Luschen oder Schwächlinge bezeichnet, wenn sie nicht „ihren Mann stehen“, oder dass man Witze über die Länge ihres Gliedes oder ihre Impotenz macht. Es ist nichts Besonderes, dass Männer und Frauen ihre Töchter vor Männern warnen, aber nicht ihre Söhne. Es interessiert viele, dass die Mehrheit der Täter in Fällen körperlicher Gewalt männlich ist. Es interessiert niemanden, dass auch die Opfer größtenteils Männer sind.
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04.06.2024
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