„Ich hatte ein ausgezeichnetes Gespräch mit Präsidenten Trump und gratulierte ihm zu seinem historischen Erdrutschsieg […] Wir vereinbarten, einen engen Dialog zu führen und unsere Zusammenarbeit voranzutreiben. Eine starke und unerschütterliche Führung der USA ist für die Welt und für einen gerechten Frieden von entscheidender Bedeutung“, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am 6. November 2024 auf seinem X-Account. Hinter den freundlichen Worten versteckt sich freilich die Sorge ukrainischer Führung vor der Unberechenbarkeit des neuen alten US-Präsidenten.
Dennoch wird der Wahlsieg Donald Trumps im direkten Umfeld des ukrainischen Präsidenten nicht ausschließlich negativ gesehen. Wie Paul Ronzheimer treffend formuliert, sei die US-Unterstützung durch die Biden-Administration in den vergangenen Monaten so gezügelt worden, dass „die Ukraine am Ende keine Ziele“ mehr erreichen konnte und „in einen Negativ-Strudel geraten“ sei. Und ungeachtet aller Unvorhersehbarkeit Donald Trumps liege die Hoffnung darin, dass Trumps Ego „einen schlechten Deal mit Putin“ nicht zulassen und in eine Gegenreaktion gipfeln werde.
Das persönliche Verhältnis zwischen Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj dürfte aber trotz jüngster diplomatischer Annäherung und Kooperationsbekenntnisse angespannt sein. Gleichsam als steinerner Gast bleibt bei jeder Begegnung die Erinnerung an Trumps Nötigungsversuche gegenüber Wolodymyr Selenskyj aus dem Jahr 2019 präsent.
Am 25. Juli 2019 verlangte Trump im Telefonat mit dem neugewählten Präsidenten der Ukraine Wolodymyr Selenskyj einen „Gefallen“ ein. Auf Wunsch Donald Trumps sollte Wolodymyr Selenskyj Korruptionsermittlungen über angebliche Schmiergeldzahlungen durch den Energiekonzern Burisma Holdings an den früheren US-Vizepräsidenten und Trump-Herausforderer Joseph Biden sowie seinen Sohn Hunter einleiten lassen. Auch wären „Beweise“ für eine angebliche ukrainische Einflusskampagne zugunsten der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 „aufzufinden“, so Trump. Bei Verweigerung der Kooperation drohte Trump der Ukraine, die vom US-Kongress freigegebenen Militärhilfen im Ausmaß von rund 400 Millionen US-Dollar zu verweigern.
Eine anonyme Dienstbeschwerde eines CIA-Mitarbeiters brachte die später als „Ukraine-Affäre“ bekannt gewordenen Untersuchungen rund um vermuteten Macht- und Amtsmissbrauch Donald Trumps ins Rollen. Es sollte vor allem der Nötigungsversuch mit dem Zurückhalten der Militärhilfen gegenüber Selenskyj sein, der den Ausschlag für Trumps erstes Amtsenthebungsverfahren gab. Im Übrigen spielten die von Trump gegen Biden geäußerten Korruptionsvorwürfe eine wesentliche Rolle im Amtsenthebungsverfahren der US-Republikaner gegen US-Präsidenten Biden. Spannenderweise steht ein gewisser Alexander Smirnow, ein FBI-Informant mit Verbindungen zum russischen Geheimdienst, der im Juni 2020 den US-Ermittlern angebliche Informationen über Schmiergeldzahlungen an Joseph und Hunter Biden zugespielt hat, wegen vermuteter Fälschung dieser Informationen mittlerweile selbst vor Gericht.
Das im Telefonat vom Juli 2019 zum Vorschein gelangende Selbstbild Donald Trumps dürfte auch in Zukunft von großer Bedeutung sein. Denn seit Beginn der vollumfänglichen russischen Invasion der Ukraine vertrat Donald Trump wiederholt die Überzeugung, im Falle seines erneuten Wahlerfolges den Ukrainekrieg innerhalb von 24 Stunden beenden zu können. Dazu möchte Trump einen Deal zwischen Wolodymyr Selenskyj und Wladimir Putin vermitteln.
Welche konkreten Schritte könnte Trump aber nach seiner Angelobung setzen? Nach der Rückkehr ins Weiße Haus könnte Donald Trump die US-Unterstützung für die Ukraine durchaus auf ein Minimum reduzieren; zumal auch Trumps designierter Vizepräsident James David Vance ein Gegner voraussetzungsloser US-Militärhilfen für Kyjiw ist. Dabei könnte die neue US-Administration versuchen, die ukrainische Führung unter Druck zu setzen, Gebietsabtretungen und weitere Zugeständnisse an Russland abzuverlangen sowie letztlich das Land zu einer Kapitulation zu zwingen.
Doch ist über Trumps ursprünglichen Friedensplan nur wenig bekannt. Wie die Washington Post im April 2024 unter Verweis auf Informationen von Seiten anonymer Trump-Berater berichtete, möchte Trump sowohl Wolodymyr Selenskyj als auch Wladimir Putin einen gesichtswahrenden Ausstieg aus den Kriegshandlungen ermöglichen. Das Kernelement des Trump’schen Friedensplanes liegt dabei im Abtausch der von Moskau 2014 annektierten ukrainischen Halbinsel Krim sowie der von Russland teilbesetzten Grenzregionen Donezk und Luhansk gegen Waffenstillstand und einen Truppenabzug Russlands. Auch über eine Begrenzung der Nato-Erweiterung sei Trumps Team zu sprechen bereit, so die Washington Post.
Den aktuellen Informationen von The Wall Street Journal zufolge soll der Beraterstab dem designierten US-Präsidenten Donald Trump mittlerweile mehrere Friedenspläne angeboten haben. Der wohl bekannteste dieser Vorschläge entstammt der Feder des früheren US-Außenministers Michael Pompeo. Nach Informationen von CNN und Politico wird Pompeo als potentieller US-Verteidigungsminister in der kommenden US-Administration gehandelt. Seine Vorschläge veröffentlichte Mike Pompeo gemeinsam mit David Urban, Geschäftsführer des Lobbying- und Kommunikationsunternehmens BGR Group, Ende Juli 2024 im The Wall Street Journal unter dem Titel „Ein Trump-Friedensplan für die Ukraine“.
Bericht: Trumps Friedensplan könnte auch in eine aggressive Richtung gehen
27.07.2024
Im Fokus des – in der Berliner Zeitung ausführlich analysierten –........