Am 19. September 2024 forderte das Europäische Parlament in einem Entschließungsantrag die Mitgliedsstaaten der EU dazu auf, Einschränkungen für den Einsatz westlicher Waffen gegen legitime militärische Ziele in Russland aufzuheben.
Diese Entscheidung würde der Ukraine die Ausübung ihres Rechts auf Selbstverteidigung in vollem Umfang ermöglichen sowie Schutzpotenzial gegen die russischen Angriffe auf die Bevölkerung und die Infrastruktur eröffnen, so der mit 425 Ja-Stimmen gegen 131 Nein-Stimmen bei 63 Enthaltungen angenommene Entschließungsantrag.
Nur wenige Tage davor drohte Wladimir Putin, dass die Zustimmung des Westens zum Einsatz weitreichender Waffen gegen Ziele in Russland einen direkten Eintritt der Nato in den Krieg mit Russland bedeuten würde. Eine derartige Entscheidung würde die „Natur des Konflikts grundlegend verändern“, sagte Russlands Staatschef.
Mit dieser Drohung zog Putin eine rote Linie für den Westen; bei weitem nicht zum ersten Mal. Gleichsam im Wochenrhythmus drohen Russlands Politiker und Staatspropagandisten mit einem konventionellen oder gar nuklearen Vergeltungsschlag gegen die Mitgliedsstaaten der Nato und der EU. Doch wie glaubwürdig sind die russischen Drohungen und wo verlaufen tatsächlich die Grenzen einer unkontrollierbaren Konflikteskalation?
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Für den Westen gilt es zu verstehen, dass Russland sich – jenseits seines Feldzuges gegen die Ukraine – in einen komplexen politisch-militärischen Konflikt mit dem Westen um die Deutungshoheit über die Zukunft der gesamten Weltordnung verwickelt sieht. Gleichsam führt es einen globalen revisionistischen Kreuzzug gegen die etablierte Völkerrechtsordnung. Dabei erhebt Russland mit zweifelhaftem Erfolg einen Führungsanspruch über den globalen Nicht-Westen. Die Ukraine erscheint aus der Sicht des Kremls lediglich als das derzeit wichtigste militärische Schlachtfeld, doch letztlich nur eines von vielen unterschiedlichen Kriegsschauplätzen. Denn die rein militärische Dimension des Konflikts steht für Moskau bei weitem nicht im Vordergrund. Im Übrigen gilt diese Gleichung gänzlich unabhängig vom Verhalten der Nato und der EU oder gar ihrer einzelnen Mitgliedsstaaten. Wenn der Westen sich nicht gegen die russische Kriegsführung wehren möchte, umso besser für den Kreml. An Moskaus Kriegswillen ändert der westliche Wehrunwille freilich absolut nichts.
Solcherart werden Moskaus Provokationen durch Wort und Tat sowie die intensiven hybriden Einflussnahmen gegen die EU und die Nato in Zukunft nur zunehmen. Russland testet durch derartiges Verhalten seine Grenzen aus und beobachtet sehr aufmerksam die Reaktionen des Westens. Dabei versucht der Kreml die roten Linien für den Westen auszuloten und diese, wo nur möglich, auch zu erweitern.
Schließlich sitzt Moskaus tiefer Überzeugung nach der Hauptfeind nicht in Kiew, sondern in den Hauptstädten der Nato sowie der EU. Die Durchsetzung seiner Forderungen gegen die Ukraine glaubt der Kreml durch die Schwächung der westlichen Unterstützungsbereitschaft für Kiew ungleich einfacher und schneller als durch kostenintensive und risikoreiche militärische Entscheidungsschlachten erreichen zu können.
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