Am Sonntagabend sagt es ein guter Freund am Telefon so: «Ich liebe Basel, ich liebe das Kleinbasel. Hier bin ich zu Hause, hier bringt mich niemand mehr weg. Aber ich möchte nicht, dass mein Kind hier zur Schule geht. Hier ist es nicht sicher. Wegen dieser Saubanden hier im Quartier.»

Am Montagmorgen kommt – wie auf Knopfdruck – eine Bestätigung dieser düsteren Einschätzung. «Personen, namentlich jüngere Frauen, werden belästigt, Kinder sind verunsichert, werden auf dem Schulweg bestohlen, und nicht nur ältere Menschen fühlen sich nicht mehr sicher im öffentlichen Raum», heisst es in einer Petition, die frustrierte Anwohner im Kleinbasel vor einer Woche aufsetzten. Über tausend Personen hatten Anfang Woche schon unterschrieben.

Die Missstände im Dreieck Claraplatz, Dreirosenbrücke und Matthäuskirchplatz im Schnelldurchlauf: gebrauchte Spritzen in Hauseingängen, Kügelidealer in den Vorgärten. Junkies am Rheinufer und mittlerweile sogar 16-Jährige, die eine Buvette-Mitarbeiterin sexuell belästigen. Blutverschmierte Taschentücher, gestohlene Velos. Das untere Kleinbasel ist zu einem Schandfleck verkommen, für den sich sogar die Anwohner mittlerweile schämen.

Die Petitionäre, die nicht namentlich genannt sein wollen, senden einen Hilferuf an die Politik in einer Stadt, die heute schon die kriminellste der Schweiz ist. Überdies zeigen Zahlen aus dem Jahr 2017, dass Basel, Zürich, St. Gallen und Genf die Kokainhochburgen des Landes sind.

Mit einer offenen Drogenszene haben auch andere Schweizer Städte zu kämpfen. In Zürich ist Crack wieder auf dem Vormarsch, in Genf und Chur kämpft die Polizei gegen immer mehr Heroin- und Base-Süchtige.

In Basel begünstigt die Nähe zur Grenze den Handel mit allen möglichen Substanzen. Die Nachfrage ist zweifellos vorhanden. Ein grosses Problem für die Polizei: Schafft sie ein paar Kügelidealer oder Kleinkriminelle über die Grenze nach Frankreich aus, lungern diese am nächsten Tag schon wieder hier herum. Für diese «kleinen Fische» lohnt sich die Bürokratie kaum.

Diese unhaltbaren Zustände im Kleinbasel sind für die SVP im Wahlkampfjahr 2023 ein Segen. Mit ihren Parolen («Basel-Stadt endlich sicher machen») legen sie den Finger auf die Wunde. «Wer das Chaos im Kleinbasel nicht will, wählt SVP!»

Da werden Erinnerungen wach an die Bettlerproblematik. Monatelang verschandelten Roma-Bettler das Stadtbild Basels und belästigten teilweise sogar Passanten. Die Schweizerische Volkspartei, allen voran Pascal Messerli und Joël Thüring, kämpften mit Feuereifer für schärfere Massnahmen. Und siehe da: Am 7. Juli kündigte das Justiz- und Sicherheitsdepartement mit Stephanie Eymann an der Spitze eine striktere Gangart gegenüber bettelnden Personen aus der EU an. Die Massnahmen wirken. Bettlerinnen und Bettler sind nur noch vereinzelt zu sehen.

Die linken Politikerinnen und Politiker dagegen enttäuschten beim Thema Bettler. Sie verniedlichten den Ärger der Basler Bevölkerung, stattdessen verwiesen sie auf EU-Recht und forcierten eine Kuscheljustiz, die niemandem half. Letztlich mussten sie im Grossen Rat kapitulieren.

Nun geht es um die Drogenkriminalität im Kleinbasel, und dieses Mal muss die Linke mitziehen. Sie will keinen aggressiven «Law and Order»-Drill wie die SVP; das ist ihr gutes Recht und zeichnet sie aus. Aber hier geht es nicht um linke oder rechte Denkmuster – es geht darum, dass die Politik gemeinsam das Problem löst. Zum Wohl einer ganzen Stadt. Zum Wohl einer Stadthälfte, die mit dem Hafen, dem Klybeckareal, der Messe, den Roche-Türmen, dem Badischen Bahnhof und seiner ganzen kulturellen Vielfalt und Diversität so viel zu bieten hat.

Gefordert ist auch Stephanie Eymann. Die LDP-Regierungsrätin hat in diesem Jahr Format bewiesen. Rund um die Ereignisse am 1. Mai überzeugte sie mit konsequenter Polizeiarbeit, jegliche Krawalle liess sie im Keim ersticken. Auch auf der Dreirosenanlage hat sie die Gefahr schnell erkannt, insgesamt wurden zwölf Kameras montiert, um mehr Sicherheit zu schaffen. Nicht nur, aber gerade auch für Frauen, die sich nachts längst nicht mehr sicher fühlen.

Auch wenn die erste Bilanz nach einem Monat Kameraüberwachung durchwachsen ausfällt: Eymann hat den richtigen Weg eingeschlagen. Aber das reicht nicht. Um die Drogenkriminalität einschneidend zurückzubinden, sollte sie – mit dem Segen aller Parteien – weitere Sofortmassnahmen präsentieren: eine mobile Polizeieinsatzzentrale bei der Dreirosenbrücke, verstärkte Patrouillen, konsequente Personenkontrolle. Und eine harte Hand bei der Ausschaffung. Dies ist die einzige Sprache, die wirklich jeder versteht auf der Gasse.

Blanker Unsinn dagegen sind Duldungszonen – also Areale ausserhalb der Wohnviertel, in denen Drogenhandel erlaubt ist. Dies würde die Dealer nur ermuntern, ihr Geschäft in Basel in neuen Revieren zu betreiben.

Auch wenn die erste Bilanz nach einem Monat Kameraüberwachung durchwachsen ausfällt: Eymann hat den richtigen Weg eingeschlagen.

Sowieso sollte die ganze Drogenprävention neu gedacht werden. Immer mehr Schülerinnen und Schüler beherrschen die deutsche Sprache nicht, wenn sie in die Primar eintreten. Allen jungen Menschen muss früh erklärt werden, welche Drogen wie wirken und wie viel Leid und Elend sie anrichten.

Unter diesem Aspekt ist die Abgabe oder Legalisierung von Cannabis der falsche Weg. Cannabis kann leicht zur Einstiegsdroge werden und führt viele labile Menschen in die Sucht. Gerade in unsicheren Zeiten mit Pandemie, Krieg in der Ukraine, Inflation oder Arbeitslosigkeit wirkt Cannabis verführerisch.

Dort, wo Cannabis frei erhältlich ist, steigt der Konsum gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Und das ist ein Problem. Jüngere Kiffer und Kifferinnen brechen häufiger die Schule ab und haben im Schnitt schlechtere Bildungsabschlüsse. Das Dauerargument «Alkohol ist gefährlicher als Cannabis» macht das Shitrauchen im Umkehrschluss nicht ungefährlich.

Am Geld darf eine griffige Anti-Drogen-Politik nicht scheitern. Davon ist in Basel reichlich vorhanden. Es geht um den Schutz einer geplagten Bevölkerung, die von Kuscheljustiz und Blabla-Politik nichts mehr hören will. Dieses Mal darf die Linke nicht versagen.

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Dieses Mal darf die Linke nicht versagen

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23.09.2023

Am Sonntagabend sagt es ein guter Freund am Telefon so: «Ich liebe Basel, ich liebe das Kleinbasel. Hier bin ich zu Hause, hier bringt mich niemand mehr weg. Aber ich möchte nicht, dass mein Kind hier zur Schule geht. Hier ist es nicht sicher. Wegen dieser Saubanden hier im Quartier.»

Am Montagmorgen kommt – wie auf Knopfdruck – eine Bestätigung dieser düsteren Einschätzung. «Personen, namentlich jüngere Frauen, werden belästigt, Kinder sind verunsichert, werden auf dem Schulweg bestohlen, und nicht nur ältere Menschen fühlen sich nicht mehr sicher im öffentlichen Raum», heisst es in einer Petition, die frustrierte Anwohner im Kleinbasel vor einer Woche aufsetzten. Über tausend Personen hatten Anfang Woche schon unterschrieben.

Die Missstände im Dreieck Claraplatz, Dreirosenbrücke und Matthäuskirchplatz im Schnelldurchlauf: gebrauchte Spritzen in Hauseingängen, Kügelidealer in den Vorgärten. Junkies am Rheinufer und mittlerweile sogar 16-Jährige, die eine Buvette-Mitarbeiterin sexuell belästigen. Blutverschmierte Taschentücher, gestohlene Velos. Das untere Kleinbasel ist zu einem Schandfleck verkommen, für den sich sogar die Anwohner mittlerweile schämen.

Die Petitionäre, die nicht namentlich genannt sein wollen, senden einen Hilferuf an die Politik in einer Stadt, die heute schon die kriminellste der Schweiz ist. Überdies zeigen Zahlen aus dem Jahr 2017, dass Basel, Zürich, St. Gallen und Genf die Kokainhochburgen des Landes sind.

Mit einer offenen Drogenszene haben auch andere Schweizer Städte zu kämpfen. In Zürich........

© Basler Zeitung


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