Wort zum Tag

24. Januar: Die Zukunft bilden

Kuriose Feiertage gibt es zuhauf. Sinnvolle zuweilen auch, so etwa den auf heute fallenden Internationalen Tag der Bildung.

Stefan Strittmatter 24.01.2024, 05.00 Uhr

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Wie bildet man Bildung?

Illustration: jaw

Einbildung sei auch eine Bildung, ätzt der Volksmund – und liegt voll daneben. Um das zu verstehen, sollte man wissen, dass ein gewisses Mass an Bildung vorhanden sein muss, um den Begriff der Bildung zu verstehen. Und sei es nur, um entscheiden zu können, wen man zu Definitionszwecken herbeiziehen soll.

Etwa den deutschen Forschungsreisenden Alexander von Humboldt (1769–1859), der Bildung wie folgt definierte: «Die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen.»

Wir erdreisten uns, diese Definition hier weiter einzukochen: Gebildet ist, wer sein Weltbild mit der Realität abzugleichen vermag. Und damit bedeutet Bildung das genaue Gegenteil von Einbildung. Bloss: Wie bildet man Bildung?

Zum einen natürlich über den Zugang zu Information. Das hat auch die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit reichlich Verspätung bemerkt und seit 2019 jeweils den 28. September zum Internationalen Tag des allgemeinen Informationszugangs erklärt. Warum so spät und warum ausgerechnet an diesem Tag, das haben wir uns an dieser Stelle am betreffenden Datum bereits gefragt.

Denn der Handlungsbedarf war schon lange gross, auch wenn er während der Coronapandemie noch verstärkt worden sei, wie einem Bericht zum UN-Programm «Sustainable Development Goals» zu entnehmen ist. Ohne drastische Gegenmassnahmen dürften im Jahr 2030 stattlichen 300 Millionen Teenagern die fürs Leben nötigen Fähigkeiten in puncto Lesen, Schreiben und Rechnen fehlen, so die düstere Prognose.

Wohl auch deshalb hat man es nicht beim Gedenktag zum Informationszugang belassen, sondern diesem den heute begangenen Internationalen Tag der Bildung zur Seite gestellt. Auch dieser wird seit 2019 gefeiert, und auch hier ist gänzlich unklar, wie die Wahl des Datums erfolgt ist.

Nun könnte man freilich werweissen, wie diese Daten gewählt wurden – aber Obacht: «Den Gelehrten spielen in Dingen, von denen man nichts versteht, ist eine unerträgliche Eitelkeit.» Das hat Franz von Sales (1567–1622) gesagt. Und weiter: «Ich möchte nicht einmal den Fachmann spielen in Dingen, die ich wirklich verstehe.» Womit auf einen Schlag alle Wege blockiert wären: Egal, ob man nun etwas weiss oder nicht, man sitzt lieber aufs Maul.

Was bleibt, sind die offenen Fragen. Beispielsweise diese: Warum wird auch der Gedenktag für Franz von Sales am heutigen 24. Januar begangen? Das Datum entspricht weder seinem Geburts- noch seinem Todestag. Es ist zudem nicht das Datum seiner Seligsprechung und auch nicht jenes seiner Heiligsprechung. Sachdienliche Hinweise in dieser Causa werden gerne entgegengenommen.

Franz von Sales – so viel Bildung darf an dieser Stelle aber vorhanden oder zumindest vorgetäuscht sein – gilt als Schutzpatron für Schriftsteller und Gehörlose. Und auch als jener für Journalisten. Als Angehöriger der letztgenannten Gattung wäre es freilich vermessen, aufgrund der zufällig zusammenfallenden Daten einen Zusammenhang zwischen Journalismus und Bildung herzustellen. Das wäre dann ja fast schon eingebildet.

In der Reihe «Das Wort zum Tag» knöpft sich die Kultur-Redaktion in loser Folge spezielle Kalendertage vor. Ebenfalls heute gefeiert werden der Tag der Erdnussbutter, jener der Bierbüchse, der Tag der Komplimente und der Welttag des herzhaften Lachens.

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Zum einen natürlich über den Zugang zu Information. Das hat auch die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit reichlich Verspätung bemerkt und seit 2019 jeweils den 28. September zum Internationalen Tag des allgemeinen Informationszugangs erklärt. Warum so spät und warum ausgerechnet an diesem Tag, das haben wir uns an dieser Stelle am betreffenden Datum bereits gefragt.

Denn der Handlungsbedarf war schon lange gross, auch wenn er während der Coronapandemie noch verstärkt worden sei, wie einem Bericht zum UN-Programm «Sustainable Development Goals» zu entnehmen ist. Ohne drastische Gegenmassnahmen dürften im Jahr 2030 stattlichen 300 Millionen Teenagern die fürs Leben nötigen Fähigkeiten in puncto Lesen, Schreiben und Rechnen fehlen, so die düstere Prognose.

Wohl auch deshalb hat man es nicht beim Gedenktag zum Informationszugang belassen, sondern diesem den heute begangenen Internationalen Tag der Bildung zur Seite gestellt. Auch dieser wird seit 2019 gefeiert, und auch hier ist gänzlich unklar, wie die Wahl des Datums erfolgt ist.

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Was bleibt, sind die offenen Fragen. Beispielsweise diese: Warum wird auch der Gedenktag für Franz von Sales am heutigen 24. Januar begangen? Das Datum entspricht weder seinem Geburts- noch seinem Todestag. Es ist zudem nicht das Datum seiner Seligsprechung und auch nicht jenes seiner Heiligsprechung. Sachdienliche Hinweise in dieser Causa werden gerne entgegengenommen.

Franz von Sales – so viel Bildung darf an dieser Stelle aber vorhanden oder zumindest vorgetäuscht sein – gilt als Schutzpatron für Schriftsteller und Gehörlose. Und auch als jener für Journalisten. Als Angehöriger der letztgenannten Gattung wäre es freilich vermessen, aufgrund der zufällig zusammenfallenden Daten einen Zusammenhang zwischen Journalismus und Bildung herzustellen. Das wäre dann ja fast schon eingebildet.

In der Reihe «Das Wort zum Tag» knöpft sich die Kultur-Redaktion in loser Folge spezielle Kalendertage vor. Ebenfalls heute gefeiert werden der Tag der Erdnussbutter, jener der Bierbüchse, der Tag der Komplimente und der Welttag des herzhaften Lachens.

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Stefan Strittmatter 24.01.2024, 05.00 Uhr

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