Notizen aus der Stadt
Zwischen Rheingasse und Brüssel
Ist Basel eine Stadt von Welt? Noch nicht ganz. Doch der Weg dahin droht (noch) steiniger zu werden.
Patrick Marcolli 19.08.2023, 05.00 Uhr Drucken Teilen
Ein netter Isolationist: Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) am vergangenen Montag in Basel.
Bild: Patrick Marcolli
Woran erkennt man eine Weltstadt – oder zumindest eine Stadt von Welt? Diese Frage stelle ich mir seit vielen Jahren an vielen Orten. Eine meiner bevorzugten Antworten: an der Geschmeidigkeit, mit der sich die einzelnen Menschen in den Menschenmassen über Fussgängerstreifen,Trottoirs und durch enge Strassen bewegen. Wer Dichte gewohnt ist, schwimmt darin munter wie ein Fisch.
Gemotze und Gehupe
Basel ist geschmeidiger als früher, ist internationaler geworden und hat den Wickelfisch erfunden. Aber ganz so weit wie in einer Weltstadt sind wir noch nicht. Bestes Anschauungsmaterial bietet im Sommer die Rheingasse. Aus der einstigen Schmuddel- und Rotlichtstrasse ist ein Ort der Quirligkeit geworden; anderseits ist sie Ort des Durchgangs geblieben, eine Verbindungsstrasse zwischen oberem und unterem Kleinbasel (und umgekehrt). Das macht die Zirkulation zwischen Fussgängern und Velofahrenden zur Herausforderung und führt mitunter zu Motzereien und Beinaheunfällen.
Nun kann man zu Recht einwenden, dass es auch eine Grossstadt definiert, das Gemotze und Gehupe. Aber an der Rheingasse zeigt sich auch die Fragilität unserer erst vor kurzem so richtig aufgeblühten Stadt: Das Hotel Merian, welches die Rheingasse am Kopf der Mittleren Brücke zum Fluss hin «eröffnet», steht vor dem Aus und ist nur noch bis nach der Fasnacht geöffnet.
Sollte keine Anschlusslösung gefunden werden, dürfte das ein herber Rückschlag, wenn nicht das Ende, für das Revival der Rheingasse sein. Einen so grossen Leerstand oder eine weitere ewige Baustelle, wie sie der «Schwarze Bären» auf der anderen Strassenseite ist, verkraftet dieses Geviert nicht.
Wo bleibt der Ruf nach dem Staat?
Es gibt Stimmen, die Interventionen durch das Basler Mäzenatentum fordern. Noch nicht erklungen ist der Ruf nach der öffentlichen Hand. Das verwundert in einer derart etatistischen Stadt wie Basel. Aber vielleicht ist das Prestigeprojekt K-Haus auf der anderen Seite der Mittleren Brücke noch in allzu frischer Erinnerung. Dort verheddern sich Departemente und Private nicht erst seit der Eröffnung in komplexen Strukturen, und vom Traum der grossen Öffnung des Kasernenareals zum Rhein hin ist wenig übrig geblieben.
Ziemlich ernüchternd verlaufen auch die politischen Bemühungen um die Öffnung der Schweiz in Richtung Europa. Das mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der «Metrobasel»-Veranstaltung am vergangenen Montag mit Bundesrat Guy Parmelin konstatieren. Der Wirtschaftsminister fand zwar warme und lobende Worte für die Region Basel. Aber im Herzen ist der Mann ein Zögerer, Zauderer und Isolationist.
Wer vermittelt die Dringlichkeit?
Ja, es ist auch noch Wahlkampf in Basel. An der erwähnten Veranstaltung sowie am Sommerapéro der Handelskammer beider Basel (HKBB) tags darauf war «Europa» das vorherrschende Thema. Die hiesige Grosswirtschaft, die meisten Politikerinnen und Politiker mit Ambitionen auf einen Sitz im nationalen Parlament sowie die Universität drängen nach dem Scheitern des Rahmenabkommens auf rasche Neuverhandlungen mit Brüssel.
Die Schwierigkeit dürfte darin bestehen, die Dringlichkeit dieses Themas den Wählerinnen und Wählern darzulegen. Solange man unter seinesgleichen ist wie bei «Metrobasel» und der HKBB, lässt sich trefflich darüber debattieren. Aber wie bricht man es auf konkrete Lebenswelten hinunter? Vielleicht verhält es sich ja mit der Schweiz und der EU wie mit der Rheingasse: Eine lang andauernde Grossbaustelle wäre das Ende des Aufschwungs.
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Ist Basel eine Stadt von Welt? Noch nicht ganz. Doch der Weg dahin droht (noch) steiniger zu werden.
Woran erkennt man eine Weltstadt – oder zumindest eine Stadt von Welt? Diese Frage stelle ich mir seit vielen Jahren an vielen Orten. Eine meiner bevorzugten Antworten: an der Geschmeidigkeit, mit der sich die einzelnen Menschen in den Menschenmassen über Fussgängerstreifen,Trottoirs und durch enge Strassen bewegen. Wer Dichte gewohnt ist, schwimmt darin munter wie ein Fisch.
Basel ist geschmeidiger als früher, ist internationaler geworden und hat den Wickelfisch erfunden. Aber ganz so weit wie in einer Weltstadt sind wir noch nicht. Bestes Anschauungsmaterial bietet im Sommer die Rheingasse. Aus der einstigen Schmuddel- und Rotlichtstrasse ist ein Ort der Quirligkeit geworden; anderseits ist sie Ort des Durchgangs geblieben, eine Verbindungsstrasse zwischen oberem und unterem Kleinbasel (und umgekehrt). Das macht die Zirkulation zwischen Fussgängern und Velofahrenden zur Herausforderung und führt mitunter zu Motzereien und Beinaheunfällen.
Nun kann man zu Recht einwenden, dass es auch eine Grossstadt definiert, das Gemotze und Gehupe. Aber an der Rheingasse zeigt sich auch die Fragilität unserer erst vor kurzem so richtig aufgeblühten Stadt: Das Hotel Merian, welches die Rheingasse am Kopf der Mittleren Brücke zum Fluss hin «eröffnet», steht vor dem Aus und ist nur noch bis nach der Fasnacht geöffnet.
Sollte keine Anschlusslösung gefunden werden, dürfte das ein herber Rückschlag, wenn nicht das Ende, für das Revival der Rheingasse sein. Einen so grossen Leerstand oder eine weitere ewige Baustelle, wie sie der «Schwarze Bären» auf der anderen Strassenseite ist, verkraftet dieses Geviert nicht.
Es gibt Stimmen, die Interventionen durch das Basler Mäzenatentum fordern. Noch nicht erklungen ist der Ruf nach der öffentlichen Hand. Das verwundert in einer derart etatistischen Stadt wie Basel. Aber vielleicht ist das Prestigeprojekt K-Haus auf der anderen Seite der Mittleren Brücke noch in allzu frischer Erinnerung. Dort verheddern sich Departemente und Private nicht erst seit der Eröffnung in komplexen Strukturen, und vom Traum der grossen Öffnung des Kasernenareals zum Rhein hin ist wenig übrig geblieben.
Ziemlich ernüchternd verlaufen auch die politischen Bemühungen um die Öffnung der Schweiz in Richtung Europa. Das mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der «Metrobasel»-Veranstaltung am vergangenen Montag mit Bundesrat Guy Parmelin konstatieren. Der Wirtschaftsminister fand zwar warme und lobende Worte für die Region Basel. Aber im Herzen ist der Mann ein Zögerer, Zauderer und Isolationist.
Ja, es ist auch noch Wahlkampf in Basel. An der erwähnten Veranstaltung sowie am Sommerapéro der Handelskammer beider Basel (HKBB) tags darauf war «Europa» das vorherrschende Thema. Die hiesige Grosswirtschaft, die meisten Politikerinnen und Politiker mit Ambitionen auf einen Sitz im nationalen Parlament sowie die Universität drängen nach dem Scheitern des Rahmenabkommens auf rasche Neuverhandlungen mit Brüssel.
Die Schwierigkeit dürfte darin bestehen, die Dringlichkeit dieses Themas den Wählerinnen und Wählern darzulegen. Solange man unter seinesgleichen ist wie bei «Metrobasel» und der HKBB, lässt sich trefflich darüber debattieren. Aber wie bricht man es auf konkrete Lebenswelten hinunter? Vielleicht verhält es sich ja mit der Schweiz und der EU wie mit der Rheingasse: Eine lang andauernde Grossbaustelle wäre das Ende des Aufschwungs.