Analyse

Bauen ist in Basel zum Problemfall geworden

Die Linken fordern mehr sozialen Wohnungsbau, die Baulobby wünscht sich weniger Regulierung. Wem gelingt es, den gordischen Knoten zu lösen?

Patrick Marcolli 26.06.2023, 05.00 Uhr

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Wer wird in Basel überhaupt noch in Immobilien investieren?

Bild: Roland Schmid

Analyse zur verfahrenen Situation im Basler (Wohn-)Bauwesen Der heisse Tanz um den kalten Beton Zufall oder nicht? Wieder einmal spielt der Mieterverband Basel-Stadt den Behörden einen Streich. Heute Vormittag führt er zum Thema «Schluss-mit-Abbruch, Schluss-mit-Überverdichtung, Schluss-mit-Massenkündigungen» zur selben Zeit eine Medienkonferenz durch wie das Wirtschaftsdepartement, das zum Thema Soziales Wohnen informiert.

Es ist der Auftakt zu einer neuen Runde im langjährigen Poker um die Basler Wohnpolitik. Demnächst wird auch der Gegenvorschlag des Regierungsrats zur Initiative «Basel baut Zukunft» erwartet, die 50 Prozent sozialen Wohnungsbau auf den grossen Entwicklungsarealen der Stadt fordert. Wie lange sich die Exekutive mit ihrer Alternative zum Volksbegehren Zeit lässt, hat mutmasslich drei Ursachen: Die Komplexität der Materie, die Sachkenntnis und Härte der Initiantinnen und Initianten sowie die Vermutung, dass dieses wichtige Geschäft auch innerhalb der Regierung für Diskussionen sorgt.

Es steht enorm viel auf dem Spiel. Denn neben der allgemeinen Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt, welche dem Thema zusätzlich Brisanz verleiht – höhere Zinsen, höhere Nebenkosten – , muss Basel den immer heikleren Drahtseilakt zwischen Investorenfreundlichkeit und sozialem Ausgleich bewältigen.

Klar ist, dass die Stadt seit der Implementierung eines deutlich härteren Wohnschutzes längst nicht mehr so attraktiv ist für Investoren wie noch vor ein paar Jahren. Nicht nur für Renditehaie übrigens, auch für Organisationen wie Stiftungen, die im sozialen Sinn «gute» Absichten haben. Der Mieterschutz mit der Einführung der entsprechenden Kommission hat allgemein zur Verunsicherung beigetragen. Das von der Regierung eingeführte neue Verfahren für Baugesuche stattet die Wohnschutzkommission mit einer enormen Machtfülle aus. Selbst der Mieterverband moniert, dass im Verfahrensverlauf eine niederschwellige Beratungsmöglichkeit fehle.

Zurückhaltung ist folglich das Gebot der Stunde. Und das ausgerechnet in einer Zeit, da vermehrt Immobilien zum Verkauf angeboten werden. Wo führt das hin? Entwickelt sich Basel zu einem zweiten Genf, wo die Regulierungen den Wohnungsmarkt erstickt haben und kaum mehr in die Erneuerung von Gebäuden investiert wird? Erste Beispiele deuten darauf hin. Die Firma Allreal, so berichtete diese Zeitung im März, hat zwei grosse Wohnblöcke veräussert, weil sie ihren Nachhaltigkeitskriterien nicht mehr entsprechen und sich nicht rentabel sanieren liessen.

In der heutigen Situation, unter den gegebenen makroökonomischen Trends und angesichts des Widerstands der politischen Linken, hätte kaum jemand, der vernünftig rechnet, das ehemalige Chemie-Areal im Klybeck gekauft. Gerne würde man heute in die Köpfe der Verantwortlichen bei der Swiss Life und den Anlegern der Rhystadt AG schauen. Vor ein paar Jahren ging es einzig darum, das massig vorhandene Kapital irgendwo anzulegen. Nun aber wird immer deutlicher, dass sich selbst mittelfristig keine üppige Rendite abzeichnet – die unkalkulierbaren Risiken der Altlasten-Sanierung nicht einmal eingerechnet, ebenso nicht die Antwort auf die Frage, was sich mit den zu erhaltenden Industriedenkmälern anstellen lassen könnte.

Wem wird in dieser verfahrenen Situation ein Befreiungsschlag gelingen? Dem Regierungsrat, in dem er einen überzeugenden Gegenvorschlag zu «Basel baut Zukunft» vorlegt und somit zumindest für die Entwicklungsareale eine Perspektive bietet? Der gordische Knoten wird schwer zu durchschlagen sein und der Druck ist gross: Denn die Initianten können mit Blick auf das Abstimmungsverhalten der Basler Bevölkerung durchaus mit einem Abstimmungserfolg rechnen. Einen Rückzug der Initiative werden sie sich teuer erkaufen.

Baudirektorin Esther Keller (GLP) setzt derweil den Hebel auf informeller Ebene an: Sie wird eine Gesprächsrunde mit diversen Stakeholdern abhalten, in der es darum geht, Wege und Lösungen zu finden, die das Bauen in der Stadt vereinfachen. Das Basler Bauforum als Sammelbecken der Baulobby hat den Tarif mit einem Manifest bereits durchgegeben und fordert vor allem seitens der Behörden mehr Flexibilität. Basel steht vor politisch heissen Sommertagen.

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Es steht enorm viel auf dem Spiel. Denn neben der allgemeinen Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt, welche dem Thema zusätzlich Brisanz verleiht – höhere Zinsen, höhere Nebenkosten – , muss Basel den immer heikleren Drahtseilakt zwischen Investorenfreundlichkeit und sozialem Ausgleich bewältigen.

Klar ist, dass die Stadt seit der Implementierung eines deutlich härteren Wohnschutzes längst nicht mehr so attraktiv ist für Investoren wie noch vor ein paar Jahren. Nicht nur für Renditehaie übrigens, auch für Organisationen wie Stiftungen, die im sozialen Sinn «gute» Absichten haben. Der Mieterschutz mit der Einführung der entsprechenden Kommission hat allgemein zur Verunsicherung beigetragen. Das von der Regierung eingeführte neue Verfahren für Baugesuche stattet die Wohnschutzkommission mit einer enormen Machtfülle aus. Selbst der Mieterverband moniert, dass im Verfahrensverlauf eine niederschwellige Beratungsmöglichkeit fehle.

Zurückhaltung ist folglich das Gebot der Stunde. Und das ausgerechnet in einer Zeit, da vermehrt Immobilien zum Verkauf angeboten werden. Wo führt das hin? Entwickelt sich Basel zu einem zweiten Genf, wo die Regulierungen den Wohnungsmarkt erstickt haben und kaum mehr in die Erneuerung von Gebäuden investiert wird? Erste Beispiele deuten darauf hin. Die Firma Allreal, so berichtete diese Zeitung im März, hat zwei grosse Wohnblöcke veräussert, weil sie ihren Nachhaltigkeitskriterien nicht mehr entsprechen und sich nicht rentabel sanieren liessen.

In der heutigen Situation, unter den gegebenen makroökonomischen Trends und angesichts des Widerstands der politischen Linken, hätte kaum jemand, der vernünftig rechnet, das ehemalige Chemie-Areal im Klybeck gekauft. Gerne würde man heute in die Köpfe der Verantwortlichen bei der Swiss Life und den Anlegern der Rhystadt AG schauen. Vor ein paar Jahren ging es einzig darum, das massig vorhandene Kapital irgendwo anzulegen. Nun aber wird immer deutlicher, dass sich selbst mittelfristig keine üppige Rendite abzeichnet – die unkalkulierbaren Risiken der Altlasten-Sanierung nicht einmal eingerechnet, ebenso nicht die Antwort auf die Frage, was sich mit den zu erhaltenden Industriedenkmälern anstellen lassen könnte.

Wem wird in dieser verfahrenen Situation ein Befreiungsschlag gelingen? Dem Regierungsrat, in dem er einen überzeugenden Gegenvorschlag zu «Basel baut Zukunft» vorlegt und somit zumindest für die Entwicklungsareale eine Perspektive bietet? Der gordische Knoten wird schwer zu durchschlagen sein und der Druck ist gross: Denn die Initianten können mit Blick auf das Abstimmungsverhalten der Basler Bevölkerung durchaus mit einem Abstimmungserfolg rechnen. Einen Rückzug der Initiative werden sie sich teuer erkaufen.

Baudirektorin Esther Keller (GLP) setzt derweil den Hebel auf informeller Ebene an: Sie wird eine Gesprächsrunde mit diversen Stakeholdern abhalten, in der es darum geht, Wege und Lösungen zu finden, die das Bauen in der Stadt vereinfachen. Das Basler Bauforum als Sammelbecken der Baulobby hat den Tarif mit einem Manifest bereits durchgegeben und fordert vor allem seitens der Behörden mehr Flexibilität. Basel steht vor politisch heissen Sommertagen.

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Patrick Marcolli 26.06.2023, 05.00 Uhr

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Bild: Roland Schmid

Analyse zur verfahrenen Situation im Basler (Wohn-)Bauwesen Der heisse Tanz um den kalten Beton Zufall oder nicht? Wieder einmal spielt der Mieterverband Basel-Stadt den Behörden einen Streich. Heute Vormittag führt er zum Thema «Schluss-mit-Abbruch, Schluss-mit-Überverdichtung, Schluss-mit-Massenkündigungen» zur selben Zeit eine Medienkonferenz durch wie das Wirtschaftsdepartement, das zum Thema Soziales Wohnen informiert.

Es ist der Auftakt zu einer neuen Runde im langjährigen Poker um die Basler Wohnpolitik. Demnächst wird auch der Gegenvorschlag des Regierungsrats zur Initiative «Basel baut Zukunft» erwartet, die 50 Prozent sozialen Wohnungsbau auf den grossen Entwicklungsarealen der Stadt fordert. Wie lange sich die Exekutive mit ihrer Alternative zum Volksbegehren Zeit lässt, hat mutmasslich drei Ursachen: Die Komplexität der Materie, die Sachkenntnis und Härte der Initiantinnen und Initianten sowie die Vermutung, dass dieses wichtige Geschäft auch innerhalb der Regierung für Diskussionen sorgt.

Es steht enorm viel auf dem Spiel. Denn neben der allgemeinen Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt, welche dem Thema zusätzlich Brisanz verleiht – höhere Zinsen, höhere Nebenkosten – , muss Basel den immer heikleren Drahtseilakt zwischen Investorenfreundlichkeit und sozialem Ausgleich bewältigen.

Klar ist, dass die Stadt seit der Implementierung eines deutlich härteren Wohnschutzes längst nicht mehr so attraktiv ist für Investoren wie noch vor ein paar Jahren. Nicht nur für Renditehaie übrigens, auch für Organisationen wie Stiftungen, die im sozialen Sinn «gute» Absichten haben. Der Mieterschutz mit der Einführung der entsprechenden Kommission hat allgemein zur Verunsicherung beigetragen. Das von der Regierung eingeführte neue Verfahren für Baugesuche stattet die Wohnschutzkommission mit einer enormen Machtfülle aus. Selbst der Mieterverband moniert, dass im Verfahrensverlauf eine niederschwellige Beratungsmöglichkeit fehle.

Zurückhaltung ist........

© Basellandschaftliche Zeitung


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