Geist & Reichlin
OECD-Mindeststeuer: Aus einer sauren Zitrone Limonade machen
Die Steuerreform, über die das Schweizer Volk am 18. Juni abstimmt, ist eine zwiespältige Sache. Ein Nein macht wenig Sinn, da dann zusätzliche Einnahmen einfach ins Ausland abfliessen. Bei einem Ja ist aber zentral, dass die Kantone die Einnahmen richtig einsetzen.
Basel-Stadt ist Sitz vieler grosser, international tätiger Firmen wie Novartis (Campus im Hintergrund) und daher von der OECD-Steuerreform besonders stark betroffen.
Bild: Benjamin Wieland (25. 8. 2021)
Die OECD-Steuer, über die wir am 18 Juni auf eidgenössischer Ebene abstimmen, hat den unangenehmen Beigeschmack einer pseudo-freiwilligen Steuerreform. Klar: Das Stimmvolk ist frei, die Reform abzulehnen. Was damit gewonnen würde, ist jedoch fraglich. Denn mit mindestens 15 Prozent besteuert würden die betroffenen in der Schweiz ansässigen Unternehmen dennoch – einfach würden die Steuerbeträge bei einem Nein am Schweizer Fiskus vorbei ins Ausland fliessen.
Unangenehm ist der Beigeschmack auch wegen der Motivation hinter der Reform. Die OECD schreibt auf ihrer Website, dass damit multinationale Unternehmen, wo auch immer sie tätig sind, «einen gerechten Beitrag zum Steueraufkommen leisten». Das klingt schön und gut. Aber was ist ein «gerechter» Beitrag? Eigentlich sollte supranational gelöst werden, was ein supranationales Problem ist. Inwiefern ist es demnach sinnvoll, dass eine supranationale Organisation wie die OECD entscheidet, was in einzelnen Ländern «gerecht» ist?
Internationale Tendenz, den Wettbewerb unter den Standorten zu reduzieren
Ebenfalls nicht achselzuckend sollten wir zur Kenntnis nehmen, dass die OECD-Mindeststeuer den Steuerwettbewerb zumindest im Ansatz bekämpft. Es entspricht einer internationalen Tendenz, insbesondere im EU-Raum, wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu harmonisieren und Wettbewerb zu reduzieren. Während die Schweiz momentan noch um einige EU-Regulierungen herumkommt, greift die OECD-Mindeststeuer anderweitig in die Schweizer Steuerlandschaft ein.
Für die Schweiz bedeutet das unter anderem, dass neben dem Steuervorteil andere Standortfaktoren noch wichtiger werden. Vor allem für wertschöpfungsstarke Branchen wird beispielsweise das Ausbildungsniveau der Arbeitnehmenden noch wichtiger. Studien weisen zudem darauf hin, dass bei höheren Unternehmenssteuern entscheidend ist, wofür die zusätzlichen Steuereinnahmen eingesetzt werden: Etwa für die Haushaltskonsolidierung oder Investitionen in Forschung und Entwicklung.
Gemäss Vorlage dürfen Kantone 75 Prozent der Einnahmen behalten
Eigentlich müssten die zusätzlichen Einnahmen direkt weitergegeben werden in Form von Steuersenkungen für natürliche Personen. Entschieden würde dies bei Annahme der OECD-Mindeststeuer vor allem durch die Kantone. Die vom Parlament ausgearbeitete Vorlage sieht vor, dass bei einer Annahme 75 Prozent der zusätzlichen Steuereinnahmen an die Kantone und somit dorthin fliessen, wo sie auch erhoben werden. Der Bund geht insgesamt von 1 bis 2,5 Milliarden Franken an zusätzlichen Steuereinnahmen aus – das sind 235 Franken wiederkehrende Einnahmen pro Person.
Unter dem Strich verhält es sich mit dieser Steuerreform wie mit einer sauren Zitrone: Reinbeissen möchte man nicht, Wegwerfen ist Verschwendung, somit bleibt nur, daraus Limonade zu machen. Zu zuckrig darf sie dabei nicht werden – die Versuchung, den durch die zusätzlichen Steuereinnahmen links und rechts wild spriessenden Begehrlichkeiten nachzugeben, wird ansonsten zum potenziell lähmenden Diabetesfall. Denn die Einnahmen von heute sind die Ausgaben von morgen.
*Naomi Reichlin leitet die Unternehmenskommunikation eines lokalen KMU und war Vizepräsidentin der FDP Baselland von 2017 bis 2020.
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Abstimmung vom 18. Juni
Eva Herzog zur OECD-Mindeststeuer: «Für mich unverständlich, dass jemand aus Basler Sicht Nein stimmt» Hans-Martin Jermann und Andreas Möckli 30.05.2023
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Unangenehm ist der Beigeschmack auch wegen der Motivation hinter der Reform. Die OECD schreibt auf ihrer Website, dass damit multinationale Unternehmen, wo auch immer sie tätig sind, «einen gerechten Beitrag zum Steueraufkommen leisten». Das klingt schön und gut. Aber was ist ein «gerechter» Beitrag? Eigentlich sollte supranational gelöst werden, was ein supranationales Problem ist. Inwiefern ist es demnach sinnvoll, dass eine supranationale Organisation wie die OECD entscheidet, was in einzelnen Ländern «gerecht» ist?
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Für die Schweiz bedeutet das unter anderem, dass neben dem Steuervorteil andere Standortfaktoren noch wichtiger werden. Vor allem für wertschöpfungsstarke Branchen wird beispielsweise das Ausbildungsniveau der Arbeitnehmenden noch wichtiger. Studien weisen zudem darauf hin, dass bei höheren Unternehmenssteuern entscheidend ist, wofür die zusätzlichen Steuereinnahmen eingesetzt werden: Etwa für die Haushaltskonsolidierung oder Investitionen in Forschung und Entwicklung.
Eigentlich müssten die zusätzlichen Einnahmen direkt weitergegeben werden in Form von Steuersenkungen für natürliche Personen. Entschieden würde dies bei Annahme der OECD-Mindeststeuer vor allem durch die Kantone. Die vom Parlament ausgearbeitete Vorlage sieht vor, dass bei einer Annahme 75 Prozent der zusätzlichen Steuereinnahmen an die Kantone und somit dorthin fliessen, wo sie auch erhoben werden. Der Bund geht insgesamt von 1 bis 2,5 Milliarden Franken an zusätzlichen Steuereinnahmen aus – das sind 235 Franken wiederkehrende Einnahmen pro Person.
Unter dem Strich verhält es sich mit dieser Steuerreform wie mit einer sauren Zitrone: Reinbeissen möchte man nicht, Wegwerfen ist Verschwendung, somit bleibt nur, daraus Limonade zu machen. Zu zuckrig darf sie dabei nicht werden – die Versuchung, den durch die zusätzlichen Steuereinnahmen links und rechts wild spriessenden Begehrlichkeiten nachzugeben, wird ansonsten zum potenziell lähmenden Diabetesfall. Denn die Einnahmen von heute sind die Ausgaben von morgen.
*Naomi Reichlin leitet die Unternehmenskommunikation eines lokalen KMU und war Vizepräsidentin der FDP Baselland von 2017 bis 2020.
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