Kommentar
Erdogans Lektion in knallharter Machtpolitik
Vor dem Nato-Gipfel in Vilnius verknüpft der türkische Präsident den Nato-Beitritt Schwedens mit immer neuen Forderungen. Nun liegt es an den europäischen Mitgliedsstaaten, klare Kante zu zeigen.
Bojan Stula 10.07.2023, 18.00 Uhr Drucken Teilen
Das kann ja heiter werden: Recep Tayyip Erdogan (links) reicht nach der Ankunft in Vilnius Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Hand.
Bild: Filip Singer/Pool/EPA
Wieder einmal erteilt der türkische Staatspräsident dem zögerlichen Westen eine Lektion in knallharter Machtpolitik. In der Frage von Schwedens Nato-Beitritt hat Recep Tayyip Erdogan die momentane Achillesferse des Militärbündnisses entdeckt und ist wild entschlossen, daraus das Maximum für sich herauszuholen.
Dass er nun plötzlich mit der Beschleunigung des türkischen EU-Betritts ein neues und unerwartetes Kaninchen aus dem Hut zaubert, sorgt bei den Nato-Partnern für einen Aufschrei der Verzweiflung.
Doch entspricht dies völlig der bisherigen Logik von Erdogans Denken: Schweden hat er mit seinem antiliberalen Forderungskatalog bereits weitgehend weichgekocht, und die USA werden wohl schon bald in der Frage der lange blockierten F-16-Kampfjet-Lieferung nachgeben. Also reizt der türkische Präsident bewusst sämtliche Grenzen aus, um seinen Platz in der ersten Reihe der Staatsmänner dieser Welt zu untermauern.
«Ohne mich geht es nicht», lautet seine Botschaft. Übrigens auch zum Nutzen des Westens und der Ukraine, denn Erdogan war bisher der Einzige, der Putin am Verhandlungstisch den Getreidedeal und den laufenden Gefangenenaustausch abringen konnte.
Statt nun in das grosse Erdogan-Lamento zu verfallen, sollten darum Nato und EU die zentrale Rolle der Türkei gegenüber Russland forcieren, aber mit derselben Härte Erdogan klarmachen: für einen EU-Beitritt muss zuerst die Türkei mehr liefern.
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Vor dem Nato-Gipfel in Vilnius verknüpft der türkische Präsident den Nato-Beitritt Schwedens mit immer neuen Forderungen. Nun liegt es an den europäischen Mitgliedsstaaten, klare Kante zu zeigen.
Wieder einmal erteilt der türkische Staatspräsident dem zögerlichen Westen eine Lektion in knallharter Machtpolitik. In der Frage von Schwedens Nato-Beitritt hat Recep Tayyip Erdogan die momentane Achillesferse des Militärbündnisses entdeckt und ist wild entschlossen, daraus das Maximum für sich herauszuholen.
Dass er nun plötzlich mit der Beschleunigung des türkischen EU-Betritts ein neues und unerwartetes Kaninchen aus dem Hut zaubert, sorgt bei den Nato-Partnern für einen Aufschrei der Verzweiflung.
Doch entspricht dies völlig der bisherigen Logik von Erdogans Denken: Schweden hat er mit seinem antiliberalen Forderungskatalog bereits weitgehend weichgekocht, und die USA werden wohl schon bald in der Frage der lange blockierten F-16-Kampfjet-Lieferung nachgeben. Also reizt der türkische Präsident bewusst sämtliche Grenzen aus, um seinen Platz in der ersten Reihe der Staatsmänner dieser Welt zu untermauern.
«Ohne mich geht es nicht», lautet seine Botschaft. Übrigens auch zum Nutzen des Westens und der Ukraine, denn Erdogan war bisher der Einzige, der Putin am Verhandlungstisch den Getreidedeal und den laufenden Gefangenenaustausch abringen konnte.
Statt nun in das grosse Erdogan-Lamento zu verfallen, sollten darum Nato und EU die zentrale Rolle der Türkei gegenüber Russland forcieren, aber mit derselben Härte Erdogan klarmachen: für einen EU-Beitritt muss zuerst die Türkei mehr liefern.
Erdogans Lektion in knallharter Machtpolitik
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10.07.2023
Kommentar
Erdogans Lektion in knallharter Machtpolitik Vor dem Nato-Gipfel in Vilnius verknüpft der türkische Präsident den Nato-Beitritt Schwedens mit immer neuen Forderungen. Nun liegt es an den europäischen Mitgliedsstaaten, klare Kante zu zeigen.
Bojan Stula 10.07.2023, 18.00 Uhr Drucken Teilen Das kann ja heiter werden: Recep Tayyip Erdogan (links) reicht nach der Ankunft in Vilnius Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Hand.
Bild: Filip Singer/Pool/EPA Wieder einmal erteilt der türkische Staatspräsident dem zögerlichen Westen eine Lektion in knallharter Machtpolitik. In der Frage von Schwedens Nato-Beitritt hat Recep Tayyip Erdogan die momentane Achillesferse des Militärbündnisses entdeckt und ist wild entschlossen, daraus das Maximum für sich herauszuholen.
Dass er nun plötzlich mit der Beschleunigung des türkischen EU-Betritts ein neues und unerwartetes Kaninchen aus dem Hut zaubert, sorgt bei den Nato-Partnern für einen Aufschrei der Verzweiflung.
Doch entspricht dies........
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