Berlin Die Gewerkschaft beharrt auf eine 35-Stunden-Woche, das Klima zwischen Arbeitgebern und GDL ist vergiftet. Schuld ist auch Weselsky.

Der Verlauf des Tarifstreits bei der Deutschen Bahn ist nicht überraschend. Schon vor Beginn der Verhandlungen im Herbst hatte der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, den Rahmen abgesteckt. Er wähnt die Spartengewerkschaft in einem Existenzkampf, weil das Tarifeinheitsgesetz (TEG) eine Expansion der Vertretung auf andere Berufsgruppen bei der Bahn praktisch ausschließt. Er will bei seinen letzten Tarifverhandlungen vor dem Ruhestand diese Barriere durchbrechen.

Als Vehikel für den Arbeitskampf dient die zweite Kernforderung der GDL nach einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Damit verschafft sich Weselsky den notwendigen Rückhalt für den Arbeitskampf bei seinen Mitgliedern. Die Forderung ist populär und die GDL hat auch gute Argumente auf ihrer Seite.

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Der Schichtdienst ist unattraktiv. Entsprechend schwer fällt es der Bahn, neue Bewerber dafür zu finden, um die bestehenden Personalengpässe zu beseitigen. Auch hier stehen die Argumente in einem krassen Gegensatz zueinander. Die Arbeitgeber befürchten noch mehr Kapazitätsengpässe, wenn das vorhandene Personal weniger arbeitet. Die GDL sieht nur in attraktiveren Konditionen die Möglichkeit, wieder gute Leute für den Job zu gewinnen.

Ums Geld geht es natürlich auch. Aber da würden sich beide Seiten wohl auf dem Verhandlungsweg schnell einigen können. Wenn sie dies in der personellen Konstellation überhaupt noch können. Denn das Klima ist vergiftet. Daran trägt vor allem Weselsky einen guten Teil der Schuld. Ständige rohe Beschimpfungen der Gegenseite haben bei den Arbeitgebern Spuren hinterlassen und die Bereitschaft zu vertrauensvollen Verhandlungen geschädigt.

Nicht nur hierbei überzieht der GDL-Chef in dieser Tarifrunde. Auch die Gründung einer Genossenschaft, die Lokführer bei der Deutschen Bahn abwerben und sie an andere Bahnen verleihen will, kann getrost als unfreundlicher Akt bezeichnet werden. Schließlich ist auch die Dauer des nun anstehenden Ausstands übertrieben. Fast eine Woche lang wird der Zugverkehr weitgehend ruhen. Auch am Wochenende, an dem viele Fernpendler unterwegs sind, wird es weitgehende Zugausfälle geben. Um die Arbeitgeber wirtschaftlich hart zu treffen, ist diese Ausweitung des Konfliktes sicher nicht notwendig. Hier trifft es vor allem die Kunden, die auf den Schienenverkehr angewiesen sind.

Es ist das gute Recht der GDL, ihre Forderungen auch mit Arbeitskämpfen durchzusetzen. Dazu gehört auch einmal ein längerer Streik. Doch auch die Kunden können hier auf ihre legitimen Ansprüche pochen und ein Mindestmaß an Mobilität auf der Schiene einfordern. Womöglich ist es daher sinnvoll, dieses Mindestmaß gesetzlich festzulegen, etwa die Hälfte des üblichen Verkehrs aufrecht zu erhalten. Damit würde das Streikrecht nicht entscheidend geschwächt.

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Mit dem Bahnstreik schießt die GDL über das Ziel hinaus

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22.01.2024

Berlin Die Gewerkschaft beharrt auf eine 35-Stunden-Woche, das Klima zwischen Arbeitgebern und GDL ist vergiftet. Schuld ist auch Weselsky.

Der Verlauf des Tarifstreits bei der Deutschen Bahn ist nicht überraschend. Schon vor Beginn der Verhandlungen im Herbst hatte der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, den Rahmen abgesteckt. Er wähnt die Spartengewerkschaft in einem Existenzkampf, weil das Tarifeinheitsgesetz (TEG) eine Expansion der Vertretung auf andere Berufsgruppen bei der Bahn praktisch ausschließt. Er will bei seinen letzten Tarifverhandlungen vor dem Ruhestand diese Barriere durchbrechen.

Als Vehikel für den Arbeitskampf dient die zweite Kernforderung der GDL nach einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Damit verschafft sich........

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