Düsseldorf. Noch liegt NRW bei der Tarifbeschäftigung -- zusammen mit Bremen -- an der Spitze. Aber dieses Fundament bröselt. Mit fatalen Folgen.

Stellen wir uns zwei Menschen vor, die eine vergleichbare Arbeit machen. Der eine verdient 500 Euro mehr im Monat als der andere, hat vielleicht sogar ein 13. Jahresgehalt und arbeitet eine Stunde weniger in der Woche. Das ist – grob skizziert – der Unterschied zwischen tariflicher und tariffreier Beschäftigung.

Es lohnt, über den sperrigen Begriff „Tarifbindung“ nachzudenken. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat der Tarif große Vorteile. Denn diese Verträge werden nicht im Hierarchiegefälle zwischen Chef und einzelnen Angestellten ausgehandelt (da kommen die Leisen und Bescheidenen unter die Räder), sondern auf Augenhöhe zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. Das ruckelt, zuweilen tut es auch weh – siehe Streiks – aber unterm Strich lohnt sich das.

Es lohnt sich nicht nur für Kolleginnen und Kollegen, sondern auch für den Staat. Tarifbeschäftigte zahlen mehr in die Sozialversicherungen ein und mehr Einkommensteuer. Schließlich muss ein Tarifvertrag kein Nachteil für eine Firma sein, denn auf diese Beschäftigten und ihr Können kann sie sich verlassen. In Tarif-Betrieben gibt es keinen oder zumindest weniger Streit über ungleiche Bezahlung.

Noch immer ist die Tarifbindung in NRW im Bundesländervergleich hoch, aber die Tariftreue bröselt seit 30 Jahren, parallel zur Zunahme prekärer und unzureichend geregelter Beschäftigung.

Mit den Grünen in der Landesregierung und dem arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) müsste es möglich sein, die Tarifbindung zu verbessern. Das Versprechen steht im Koalitionsvertrag, es muss aber noch mit Leben gefüllt werden. Es ist höchste Zeit, das Ruder rumzureißen.

Lesen Sie hier die Geschichte des Betriebsrates Dennis Schneider, der bei einem Getränkehersteller im Ruhrgebiet für einen Tarifvertrag kämpft. „Ohne Tarif gab es 1000 Euro weniger im Monat“, sagt er.

QOSHE - Warum Tarifverträge nicht aus der Zeit gefallen sind - Matthias Korfmann
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Warum Tarifverträge nicht aus der Zeit gefallen sind

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19.03.2024

Düsseldorf. Noch liegt NRW bei der Tarifbeschäftigung -- zusammen mit Bremen -- an der Spitze. Aber dieses Fundament bröselt. Mit fatalen Folgen.

Stellen wir uns zwei Menschen vor, die eine vergleichbare Arbeit machen. Der eine verdient 500 Euro mehr im Monat als der andere, hat vielleicht sogar ein 13. Jahresgehalt und arbeitet eine Stunde weniger in der Woche. Das ist – grob skizziert – der Unterschied zwischen tariflicher und tariffreier Beschäftigung.

Es lohnt, über den sperrigen Begriff........

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