Sehr geehrte Frau Peirano,

meine Freundin, 47, und ich, 49, haben uns vor etwas mehr als acht Jahren über eine Dating-Plattform kennen und lieben gelernt. Sie hatte damals eine sehr schwierige Ehe hinter sich mit viel Gewalt und Betrug seitens ihres Ex-Mannes und war froh, einmal einen netten Mann zu treffen. Ich war selbst oft schwer verletzt worden, habe ihr damals auch gesagt, dass ich alles langsam angehen möchte, damit ich Vertrauen aufbauen kann. Sie versicherte mir, ich wäre bei ihr in guten Händen, sie würde mir nie wehtun und mich nicht verletzen.

Das Zusammenleben mit ihr und den beiden Kindern (damals sieben und neun Jahre, jetzt 15 und 17) aus ihrer Ehe lief auch sehr harmonisch. Allein unsere unterschiedlichen sexuellen Bedürfnisse schienen oft problematisch, da sie im Bett sehr gerne eine extrem unterwürfige und demütige Rolle einnehmen wollte, und mir dieses aggressive und dominante Muster gar nicht liegt. Das hat sie auch eine Zeitlang frustriert, es dann aber mit der Bemerkung "akzeptiere, was du nicht ändern kannst" beiseite gewischt. Zumindest dachte ich das.

Zu Beginn unserer Beziehung waren wir beide auf einem ähnlichen Level. Sie hatte sich gerade als Anwältin selbstständig gemacht und versuchte, sich einen Ruf aufzubauen. Und ich arbeitete selbstständig als IT-Berater. Im Laufe der Zeit entwickelte sich jedoch eine extreme Schieflage.

Sie wurde immer erfolgreicher, während ich mich nach unserem Zusammenziehen 2018 hauptsächlich um die Kinder, den Haushalt und andere Dinge der Familie kümmerte, und meinem Job nur noch so weit nachging, wie das für die Deckung meiner Kosten nötig war.

Anfang dieses Jahres platzte dann die Bombe. Meine Freundin eröffnete mir, dass sie mich die ganzen Jahre seit unserem Kennenlernen mit Dutzenden anderer Männer betrogen hatte. Sie schob es anfangs noch auf reinen Casual-Sex in der Mittagspause mit Typen, die sie über Sexdating-Apps aufgetan hatte, um ihre besonderen Bedürfnisse zu befriedigen.

Sie wolle ab sofort 100 Prozent ehrlich zu mir sein, und ich solle mich dann entscheiden, ob ich ihr Verhalten akzeptieren kann und bei ihr bleiben oder lieber gehen möchte. Für mich brach eine Welt zusammen, und ich war komplett unfähig, irgendwas zu entscheiden. In den folgenden zwei Wochen verlor ich durch den enormen Stress zwölf Kilo Gewicht, habe kaum noch geschlafen und befand mich am Schluss kurz davor, meinem Leben ein Ende zu setzen.

Ich hatte mich die letzten Jahre komplett von ihr abhängig gemacht, und war dabei, mein ganzes Leben zu verlieren, ohne eine Perspektive. Zusätzlich schien bei ihr kein Unrechtsbewusstsein vorhanden zu sein, denn sie machte weiter wie bisher. Traf ihre Lover, erzählte mir davon, und mir ging es immer schlechter damit. Als ihr endlich dämmerte, was sie angerichtet hatte, und dass sie dabei war, mein komplettes Leben zu zerstören, wurde ihr Verhalten plötzlich deutlich mitfühlender. Sie besorgte mir einen Termin beim Psychologen, ließ endlich wieder Nähe zu, die mir schon seit sehr langer Zeit fehlte, und versprach, mit den Treffen aufzuhören, bis es mir besser gehe.

Durch diesen massiven Vertrauensverlust wuchs bei mir der Wunsch, die Situation irgendwie unter Kontrolle zu bekommen. Ich hatte zuvor nicht eine Sekunde daran gedacht, eifersüchtig zu sein oder ihr hinterherzuspionieren. Durch ihre Biografie mit dem fremdgehenden Ex-Mann dachte ich, sie wüsste, wie sich so etwas anfühlt. Nun allerdings loggte ich mich in ihren Computer ein, und es stellte sich heraus, dass auch die Geschichten mit der speziellen sexuellen Vorliebe und dem reinen Casual-Sex gelogen waren. Sie traf andere Anwaltskollegen, Mandanten, Polizisten usw., d.h. alles Menschen, die sie über ihre Arbeit und nicht anonym über eine App kennengelernt hatte. Sie ließ sich von ihnen Aufträge zuteilen und verdiente dadurch plötzlich das viele Geld. Damit konfrontiert, meinte sie, sie musste mich belügen, weil ihre Affären auch alle Familie und viel zu verlieren hätten.

Ich bin durch meine persönlichen Erfahrungen gut in der Lage, zu dissoziieren und unbequeme Dinge in Schubladen zu stecken und wegzupacken. Ich könnte also mit der Vergangenheit leben, auch weil sie mir die ganze Zeit versicherte, wie sehr sie mich liebt, und dass sie immer nur mit mir alt werden wollte. Meine Bedingung wäre aber, dass wir gemeinsam das verloren gegangene Vertrauen wiederherstellen können. Und das scheint mir momentan sehr schwierig, denn sie versucht noch immer, potenzielle Treffen mit diesen Männern zu verheimlichen. Sie hatte zwar versprochen aufzuhören, aber ich weiß sehr sicher, dass sie das nicht tut.

Meine Frage lautet jetzt: Wie kann ich wieder auf die Beine kommen und zu mir finden, und wie können wir beide diese Situation vielleicht doch noch gemeinsam meistern? Paartherapie hatte ich schon vorgeschlagen, aber darauf hat sie sich nicht eingelassen. Mir kommt es manchmal auch so vor, als würde sie nur versuchen, mich ruhigzustellen, damit ich Partnerinnen ihrer Affären nicht informiere, was ich tatsächlich jederzeit könnte?!

Vielen Dank schon einmal im Voraus für Ratschläge, wie ich mit dieser komplett absurden Situation umgehen und leben kann!

Viele Grüße
Thomas P.

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht und anschließend zwei Bücher über die Liebe geschrieben.

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Lieber Thomas P.,

Ihre Geschichte klingt erschütternd. Was mich besonders bewegt, ist, dass Sie in vorherigen Liebesbeziehungen (und vielleicht auch in Ihrer Kindheit?) schlechte Erfahrungen gemacht haben und stark verletzt worden sind. Sie haben, wie es auch empfehlenswert ist, Ihrer Partnerin gleich am Anfang erzählt, dass Sie verletzt worden sind und deshalb großen Wert auf Vertrauen und einen rücksichtsvollen Umgang miteinander legen.

In intimen Beziehungen kann man sich theoretisch aufgrund des großen Einflusses stärker verletzen als Fremde das können. In "Liebesbeziehungen" geschieht nicht selten körperliche oder seelische Gewalt, sogar ein erheblicher Anteil an Morden wird durch (Ex)-Partner:innen ausgeübt. Auch finanzieller Betrug geschieht oft durch den/die Partner:in, sodass man durch ihn oder sie um Haus und Hof oder sogar bis an den Ruin gebracht wird. Beziehungen können also brandgefährlich sein!

Intime Beziehungen leben davon, dass man sich anvertraut und auch ein Stück weit ausliefert, und gerade deshalb ist es unerlässlich, dass man Vertrauen zueinander hat. Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, dass man nicht nur generelle Verletzlichkeit kennt, sondern auch die spezifische Verletzlichkeit seines Partners kennt. Stellen Sie sich das vor wie eine Zielscheibe: Im Zentrum liegt die höchste Verletzlichkeit, das "Bull’s Eye", drumherum liegen andere empfindliche Zonen, und dann hat jeder auch die äußeren Gebiete, die nicht mal auf der Zielscheibe liegen und bei denen man ruhig auch mal Kritik üben oder sich liebevoll gegenseitig aufziehen kann. Und diese "Zielscheibe" ist bei jedem verschieden.

Es ist wichtig, diese Zielscheibe des Partners im Kopf zu kennen und im Kopf zu haben, damit man niemals, auch im Affekt nicht, den Pfeil auf die inneren Verletzlichkeitszonen wirft. Denn damit würde man Vertrauen zerstören und großen Schaden anrichten.

Ihre Freundin (es fällt mir übrigens schwer, dieses Wort zu benutzen, da sie sich nicht verhält wie eine Freundin) hat Ihnen am Anfang der Beziehung zugesichert, Sie nicht wieder zu verletzen. Es hört sich sogar an wie eine Art Pakt: Ich weiß, dass du verletzt wurdest. Deshalb kannst du bei mir sicher sein, ich werde dich nicht verletzen.

Aber mal Hand aufs Herz: Erinnern Sie sich doch mal zurück an die Anfangszeit Ihrer Beziehung, als dieser Pakt geschlossen wurde. Hat das von Ihrer Partnerin gesprochene Wort auch mit ihren bisherigen Taten, ihrer Vorgeschichte und ihrem Verhalten Ihnen gegenüber übereingestimmt – oder hatten Sie damals schon ein komisches Bauchgefühl?

Ihre Freundin hat von Anfang an heimlich viele, Sie schreiben Dutzende, anderer Männer zum Sex getroffen. Es muss ein riesiger Schock für Sie gewesen sein, das nach acht Jahren zu erfahren, gerade nach dem Pakt, den Sie geschlossen hatten. Und es ist natürlich extrem schwierig, nach acht Jahren erst mit der Wahrheit herauszurücken und dann zu sagen: "Wenn es dir nicht passt, kannst du ja gehen." So etwas hätte man VORHER besprechen müssen.

Darüber hinaus klingt es nicht nachvollziehbar, was Ihre Freundin macht. Hätte sie sich zum Beispiel einmalig in einen anderen Mann verliebt, könnte man nach den Beweggründen suchen. Das Fremdgehen Ihrer Freundin mit Dutzenden Männern über Jahre hinweg klingt jedoch, als wäre es die Spitze des Eisbergs, und es läge ein viel tieferliegendes Problem darunter.

Ich verstehe die Motive Ihrer Partnerin noch nicht. Um sich über Jahre mit Dutzenden von Männern, die sie aus einem beruflichen Kontext kennt, zum Sex zu verabreden, braucht es viel Erfahrung, Routinen, Vertuschungs-Mechanismen, Skrupellosigkeit, Unehrlichkeit, Verführungskunst, genaues Wissen über geheime Orte, an denen man sich treffen kann etc.

Es klingt bei der Menge der Männer nicht danach, als wenn es um das Ausleben von Lust oder um eine tiefere Verbindung auf einer körperlichen Ebene geht, sondern um etwas Anderes. Was genau, denken Sie, sind die Motive Ihrer Partnerin? Hat sie womöglich eine Sexsucht? Haben Sie sich schon einmal mit dem Thema beschäftigt?

Wenn nicht, könnte ich Ihnen das Buch empfehlen:

Sexsucht. Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige von Kornelius Roth

Und inwieweit spielen berufliche oder finanzielle Vorteile für Ihre Freundin eine Rolle? Geht es ihr bei diesem Muster überwiegend darum, sich Aufträge zu verschaffen oder Erfolg bei der Vertretung Ihrer Mandanten zu haben? Gerade wenn man als Anwältin mit Mandanten, Polizisten, eventuell auch Richtern schläft, kann das auch große berufliche Risiken mit sich bringen, und zwar für beide Seiten. So ganz erschließt sich mir diese Situation nicht.

Ich denke, dass ein Analysieren des tieferliegenden Problems, also des "Eisberg", Ihnen bei der Erkenntnis helfen kann, dass es sich hier wahrscheinlich um eine tiefergreifende Störung Ihrer Partnerin handelt und um kein Beziehungsproblem zwischen Ihnen beiden. Viele Frauen, die sich so promiskuitiv verhalten, sind in Ihrer Jugend sexuell missbraucht worden. Sie haben gelernt, Sex zu instrumentalisieren, um Vorteile zu bekommen oder Beziehungen aufzubauen. Es liegt nahe, dass Ihre Freundin sich nicht erst so promiskuitiv verhalten hat, seitdem sie mit Ihnen zusammen ist, sondern auch vorher. Möglicherweise ist die Darstellung, dass nur ihr Ex-Mann sie betrogen hat, auch nicht ganz richtig, sondern sie hat hatte die Affären auch schon vor Ihnen.

Die wichtigste Frage ist, wie Sie sich aus dieser, wie Sie schreiben, absurden Situation befreien können. Schauen wir uns mal das Verhalten Ihrer Freundin Ihnen gegenüber an: Sie betrügt und belügt Sie acht Jahre lang. Auch heute noch erzählt sie nur scheibchenweise die Wahrheit. Obwohl sie anscheinend selbst betrogen worden ist, hat sie trotz Ihrer Leiden keine Empathie für Sie, schickt Sie zur Therapie anstatt selbst zu gehen und ist nicht zu einer Veränderung bereit. Sie bietet Ihnen an, ggf. mit dem Fremdgehen aufzuhören, bis es Ihnen besser geht. Und dann fängt sie wieder an, obwohl es Ihnen so starkes Leid bereitet? Glauben Sie ihr nach den vielen Lügen, dass sie das auch wirklich gerade unterlässt und in Zukunft unterlassen würde? Gerade wenn es eine Sucht ist, ist das äußerst fragwürdig.

Aus meiner Sicht ist eine Veränderung dieses komplexen, über Jahre angelegten Verhaltensmusters (oder eventuell einer Sucht) nicht einfach und ohne therapeutische Hilfe, die Ihre Freundin ja ablehnt, nahezu unmöglich. Da möchte ich Ihnen keine Hoffnung machen. Denn unberechtigte Hoffnung ist oft wie eine Droge, die einem dabei hilft, Dinge auszuhalten, die man kaum aushalten kann, weil man (unberechtigterweise) an eine Verbesserung glaubt.

Sie haben viel Gewicht verloren, sind verzweifelt, innerlich in starker Aufregung, Ihre Gedanken kreisen um den Betrug, und darüber hinaus haben Sie Suizidgedanken. Das klingt zusammengefasst nach einer starken Traumatisierung durch das Verhalten Ihrer Freundin. Ihre innere Sicherheit ist zusammengebrochen, das Vertrauen zerstört, und Sie haben derzeit keine Perspektive, da sie so viel in die Beziehung investiert haben.

Aufgrund Ihres hohen Leidensdrucks und der schlechten Perspektive für eine Verhaltensänderung Ihrer Freundin kann ich Ihnen nur raten: Brechen Sie die Zelte ab und bringen Sie sich in Sicherheit. Und mit der Zeit bauen Sie sich eine eigene Existenz auf, und zwar so schnell, wie es Ihnen möglich ist.

Das ist natürlich ein weiter Weg und leichter gesagt als getan. Was bräuchten Sie dazu?

Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind am Grunde eines Brunnens gefangen und hören jemanden, der Sie von außen ruft. Was würde Ihnen helfen, aus dem Brunnen zu klettern? Bei einigen Menschen hilft es, sich Freunden anzuvertrauen und wieder Bestätigung und Respekt zu erfahren. Andere brauchen eine solide finanzielle Perspektive, z.B. einen Job oder Auftrag, um sich befreien zu können. Eine eigene Wohnung ist oft auch sehr hilfreich (gerade in Ihrer Situation). Und wieder andere müssen genau verstehen, was passiert ist, warum es ihnen passiert ist und sie müssen erkennen, dass es keine Chance auf ein Happy End gibt.

Aus meiner Sicht brauchen Sie aufgrund der Traumatisierung eine:n gute:n Therapeut:in mit Erfahrung im Bereich Traumatherapie, der/die Ihnen hilft, wieder zu sich zu finden, die Verletzungen zu heilen und sich zu befreien.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie eine:n gute:n Therapeut:in und andere vertrauenswürdige Menschen finden, die Ihnen von außen ein Seil in den Brunnen werfen und Ihnen dabei helfen, aus dem Brunnen zu klettern und einen neuen Platz für sich zu findenden, an dem Sie sicher sein können.

Herzliche Grüße und alles Gute für Sie
Julia Peirano

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Meine Freundin hat hinter meinem Rücken regelmäßig Sex mit anderen Männern und schickt mich deswegen zur Therapie

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30.04.2024

Sehr geehrte Frau Peirano,

meine Freundin, 47, und ich, 49, haben uns vor etwas mehr als acht Jahren über eine Dating-Plattform kennen und lieben gelernt. Sie hatte damals eine sehr schwierige Ehe hinter sich mit viel Gewalt und Betrug seitens ihres Ex-Mannes und war froh, einmal einen netten Mann zu treffen. Ich war selbst oft schwer verletzt worden, habe ihr damals auch gesagt, dass ich alles langsam angehen möchte, damit ich Vertrauen aufbauen kann. Sie versicherte mir, ich wäre bei ihr in guten Händen, sie würde mir nie wehtun und mich nicht verletzen.

Das Zusammenleben mit ihr und den beiden Kindern (damals sieben und neun Jahre, jetzt 15 und 17) aus ihrer Ehe lief auch sehr harmonisch. Allein unsere unterschiedlichen sexuellen Bedürfnisse schienen oft problematisch, da sie im Bett sehr gerne eine extrem unterwürfige und demütige Rolle einnehmen wollte, und mir dieses aggressive und dominante Muster gar nicht liegt. Das hat sie auch eine Zeitlang frustriert, es dann aber mit der Bemerkung "akzeptiere, was du nicht ändern kannst" beiseite gewischt. Zumindest dachte ich das.

Zu Beginn unserer Beziehung waren wir beide auf einem ähnlichen Level. Sie hatte sich gerade als Anwältin selbstständig gemacht und versuchte, sich einen Ruf aufzubauen. Und ich arbeitete selbstständig als IT-Berater. Im Laufe der Zeit entwickelte sich jedoch eine extreme Schieflage.

Sie wurde immer erfolgreicher, während ich mich nach unserem Zusammenziehen 2018 hauptsächlich um die Kinder, den Haushalt und andere Dinge der Familie kümmerte, und meinem Job nur noch so weit nachging, wie das für die Deckung meiner Kosten nötig war.

Anfang dieses Jahres platzte dann die Bombe. Meine Freundin eröffnete mir, dass sie mich die ganzen Jahre seit unserem Kennenlernen mit Dutzenden anderer Männer betrogen hatte. Sie schob es anfangs noch auf reinen Casual-Sex in der Mittagspause mit Typen, die sie über Sexdating-Apps aufgetan hatte, um ihre besonderen Bedürfnisse zu befriedigen.

Sie wolle ab sofort 100 Prozent ehrlich zu mir sein, und ich solle mich dann entscheiden, ob ich ihr Verhalten akzeptieren kann und bei ihr bleiben oder lieber gehen möchte. Für mich brach eine Welt zusammen, und ich war komplett unfähig, irgendwas zu entscheiden. In den folgenden zwei Wochen verlor ich durch den enormen Stress zwölf Kilo Gewicht, habe kaum noch geschlafen und befand mich am Schluss kurz davor, meinem Leben ein Ende zu setzen.

Ich hatte mich die letzten Jahre komplett von ihr abhängig gemacht, und war dabei, mein ganzes Leben zu verlieren, ohne eine Perspektive. Zusätzlich schien bei ihr kein Unrechtsbewusstsein vorhanden zu sein, denn sie machte weiter wie bisher. Traf ihre Lover, erzählte mir davon, und mir ging es immer schlechter damit. Als ihr endlich dämmerte, was sie angerichtet hatte, und dass sie dabei war, mein komplettes Leben zu zerstören, wurde ihr Verhalten plötzlich deutlich mitfühlender. Sie besorgte mir einen Termin beim Psychologen, ließ endlich wieder Nähe zu, die mir schon seit sehr langer Zeit fehlte, und versprach, mit den Treffen aufzuhören, bis es mir besser gehe.

Durch diesen massiven Vertrauensverlust wuchs bei mir der Wunsch, die Situation irgendwie unter Kontrolle zu bekommen. Ich hatte zuvor nicht eine Sekunde daran gedacht, eifersüchtig zu sein oder ihr hinterherzuspionieren. Durch ihre Biografie mit dem fremdgehenden Ex-Mann dachte ich, sie wüsste, wie sich so etwas anfühlt. Nun allerdings loggte ich mich in ihren Computer ein, und es stellte sich heraus, dass auch die Geschichten mit der speziellen sexuellen Vorliebe und dem reinen Casual-Sex........

© stern


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