Tatiana Meel/REUTERS

Chinesische Autos werden im Hafen von Wladiwostok entladen (25.8.2023)

Das Wall Street Journal sieht die westliche Welt vor einem »China-Schock«. Die Volksrepublik würde eine massive Exportwelle auf den Weg bringen, aber nicht im gleichen Maßen im westlichen Ausland einkaufen. Dass letzteres vermutlich daran liegt, dass die alten Industrieländer nur noch wenig zu bieten haben und das wenige, technisch hochwertige, was chinesische Käufer noch interessieren könnte, mit Ausfuhrverboten belegen, scheint dem Journal dabei entgangen zu sein. Statt dessen ist die Antwort mal wieder Protektionismus. Schon seit Donald Trumps Zeiten werden mehr und mehr Importzölle auf chinesische Waren erhoben. Zum Beispiel werden auf diesem Wege chinesische Solaranlagen verteuert und so wird der Ausbau der Solarenergie in den USA verlangsamt. Nebenbei sind die US-Importzölle auch eine beachtliche Wirtschaftsförderung für Vietnam – und das ist ja nicht unbedingt etwas Schlechtes –, denn dort bauen verschiedene chinesische Unternehmen gerade im gewaltigen Umfang die Produktion von Wafern aus, die eine wichtige Vorstufe für eine Solaranlage darstellen. Das für die Wafer benötigte Polysilizium bezieht China unter anderem aus Deutschland, aber aufgrund der US-amerikanischen Politik nun im zunehmend geringeren Umfang. In Vietnam ist zudem das Interesse an den deutschen Produkten nicht so groß, als dass dadurch der verminderte Absatz in China ausgeglichen werden könnte. Der Protektionismus schadet also auf indirektem Wege durchaus auch der hiesigen Wirtschaft.

Dennoch mehrt sich auch hierzulande das Gejammer über chinesische Ausfuhren, die längst keine Billigerzeugnisse schlechter Qualität der Textil- und Spielzeugindustrie, sondern inzwischen günstige Hightechprodukte sind. Zum Beispiel Elektroautos. Während die hiesige Autoindustrie viel Zeit, Geld und Ingenieurskunst mit Abgasbetrug vergeudet – erst kürzlich konnte die Deutsche Umwelthilfe erneut BMW entsprechende Vergehen nachweisen –, wurde in China systematisch die Entwicklung leistungsfähiger Akkus und die Einführung von Elektroautos vorangetrieben. Nun sind diese reif für den Export im großen Stil, und in Westeuropa beginnt das große Zähneklappern. Importzölle sollen es richten, während die hiesigen Hersteller weiter auf Verbrennungsmotoren und das profitträchtige Luxussegment setzen. Ganz nebenbei ist man damit auf bestem Wege, in der Autobranche eine solide industrielle Basis mit viel Know-how und wertvollen Maschinen zu riskieren, die dringend für den Ausbau von mehr und besserer ÖPNV-Infrastruktur benötigt würde. Wer Autos bauen kann, könnte auch Busse und Züge herstellen. Aber der Markt richtet es offensichtlich nicht, und in Berlin fehlt nach wie vor der Wille, regelnd einzugreifen. Ist halt einfacher, auf die Chinesen zu schimpfen und weiter dem Götzen Auto zu huldigen. Deutschland, Land der Ideen.

QOSHE - Zähneklappern - Wolfgang Pomrehn
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Zähneklappern

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04.03.2024

Tatiana Meel/REUTERS

Chinesische Autos werden im Hafen von Wladiwostok entladen (25.8.2023)

Das Wall Street Journal sieht die westliche Welt vor einem »China-Schock«. Die Volksrepublik würde eine massive Exportwelle auf den Weg bringen, aber nicht im gleichen Maßen im westlichen Ausland einkaufen. Dass letzteres vermutlich daran liegt, dass die alten Industrieländer nur noch wenig zu bieten haben und das wenige, technisch hochwertige, was chinesische Käufer noch interessieren könnte, mit Ausfuhrverboten belegen, scheint dem Journal dabei entgangen zu sein. Statt dessen ist die Antwort mal wieder Protektionismus. Schon seit Donald Trumps Zeiten werden mehr und mehr Importzölle auf chinesische Waren........

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