D. Kerlekin/snowfieldphotography/imago

Der Verkehrssektor trägt maßgeblich zum Ausstoß von Treibhausgasen bei

Die Treibhausgasemissionen der Bundesrepublik sind im vergangenen Jahr um gut zehn Prozent zurückgegangen, also so stark wie seit 1990 nicht mehr. Das sind zunächst erfreuliche Nachrichten, zumal die Anzeichen einer sich entfaltenden Klimakrise immer mehr zunehmen. Beim näheren Hinsehen ist das sprichwörtliche Glas aber nicht einmal halbvoll. Und zwar, weil die Ursachen für den starken Rückgang meist nicht nachhaltig sind und weil die deutschen Klimaschutzziele für 2030, die durch den jüngsten Rückgang erst realistisch erscheinen, bei weitem nicht ausreichen. Für einen auch nur halbwegs angemessenen deutschen Beitrag zum Klimaschutz müssten die hiesigen Emissionen Jahr für Jahr so stark sinken wie 2023, damit sie Mitte des nächsten Jahrzehnts bei null ankommen.

Doch davon sind wir noch immer Lichtjahre entfernt, unter anderem, weil das im vergangenen Jahr Erreichte nur zum Teil nachhaltig ist. Ablesen lässt sich das beispielsweise daran, dass die schwächelnde Konjunktur und die milde Witterung für verminderten Energiebedarf sorgten. Selbst der erfreulich starke Rückgang der Verbrennung von Kohle und Erdgas ist nicht wirklich beruhigend, weil er nur zum Teil dem weiteren Ausbau von Wind- und Solarenergie zu verdanken ist. Der andere Teil der Erklärung ist verminderter Strombedarf und verstärkter Stromimport aus dem Ausland. Immerhin ist der mit Abstand größte Nettolieferant das Windstromland Dänemark.

Für die Braunkohle werden unterdessen weiter Dörfer und Landschaft zerstört, und die Kraftwerke bleiben im Betrieb, können also unter veränderten Bedingungen auch wieder mehr Kohle und Gas verbrennen. Außerdem wird für das neue Frackinggas, bei dessen Förderung erhebliche Mengen des sehr wirksamen Treibhausgases Methan entweichen, keine Gesamtbilanz aufgemacht. Diese Emissionen werden hierzulande genauso wenig mitgezählt wie das Treibhausgas, das bei der Herstellung importierter Konsumgüter oder der Förderung von Erdöl freigesetzt wird.

Beschämend ist obendrein, dass erneut der Verkehrssektor seine gesetzlich vorgeschriebenen Ziele nicht erreicht. Eigentlich müsste sich, so sieht es das Klimaschutzgesetz vor, Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nun hinsetzen und ein Paket von Sofortmaßnahmen erarbeiten. Besonders schwer wäre das nicht. Die Bahn und die anderen öffentlichen Verkehrssysteme müssten ausgebaut und attraktiver gemacht und der Lastverkehr endlich stärker auf die Schiene verlagert werden. Ein Tempolimit auf den Autobahnen könnte ein übriges beitragen. Doch wie schon in den Vorjahren verweigert der Minister die Arbeit, und die Ampelkoalition möchte diesen Gesetzesbruch demnächst aus der Welt schaffen, indem sie das Klimaschutzgesetz wieder entschärft. So wird weiter wertvolle Zeit verschenkt, während die Einschläge der Klimakrise immer näher kommen.

QOSHE - Kein Grund zum Feiern - Wolfgang Pomrehn
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Kein Grund zum Feiern

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15.03.2024

D. Kerlekin/snowfieldphotography/imago

Der Verkehrssektor trägt maßgeblich zum Ausstoß von Treibhausgasen bei

Die Treibhausgasemissionen der Bundesrepublik sind im vergangenen Jahr um gut zehn Prozent zurückgegangen, also so stark wie seit 1990 nicht mehr. Das sind zunächst erfreuliche Nachrichten, zumal die Anzeichen einer sich entfaltenden Klimakrise immer mehr zunehmen. Beim näheren Hinsehen ist das sprichwörtliche Glas aber nicht einmal halbvoll. Und zwar, weil die Ursachen für den starken Rückgang meist nicht nachhaltig sind und weil die deutschen Klimaschutzziele für 2030, die durch den jüngsten Rückgang erst realistisch erscheinen, bei weitem nicht ausreichen. Für einen auch nur halbwegs angemessenen deutschen........

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