Marcus Brandt/dpa

Kriegsminister Boris Pistorius (Hamburg, 27.10.2023)

Nach Jahren des Schrumpfens sei die Bundeswehr seit 2016 »personell wieder auf Wachstumskurs«, meldete das Internetportal der Armee Ende September und zugleich eine kleine Wachstumsdelle: Die Zahl der aktiven Soldaten fiel knapp unter die Marke von 181.000 (davon waren 24.100 Frauen), im August waren es noch 181.500. Ursache des Rückgangs war laut dem Blog Augengeradeaus.net vom 6. November der Rückgang von Freiwilligen, dafür habe sich die Zahl der Berufssoldaten erhöht.

Das war die einzige positive Nachricht vom deutschen Militär in den vergangenen Tagen. Sein Minister Boris Pistorius (SPD) hatte ihm am 29. Oktober im ZDF den Marschbefehl »kriegstüchtig werden« erteilt, seitdem geht es so zackig weiter. Wo bisher »verteidigungsbereit« draufstand, ist nun auch Angriffskrieg nicht mehr ausgeschlossen. Pistorius macht offiziell, was seit dem NATO-Bombenkrieg gegen Jugoslawien 1999 stillschweigend Gewohnheit ist. Irgendwann um 2016 herum fiel die Entscheidung, neue militärische Souveränität anzustreben. Der völkerrechtswidrige NATO-Überfall vor 24 Jahren war auf dem Weg dorthin ein Einschnitt: Die deutsche Luftwaffe bombte in Belgrad und mit der Zerstörung serbischer Chemiewerke die Groß-BRD »frei«.

Diese ging aus der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 nach der Vorgabe Angela Merkels »gestärkt« hervor, wurde mit weitem Vorsprung wirtschaftliche Führungsmacht der EU und nimmt nun Anlauf, auch bei der Beherrschung der modernsten technischen Produktivkräfte in der Welt vorn mitzuspielen. Die neue Ambition innerhalb der NATO ergibt sich daraus: Berlin will militärisches Schwergewicht nach den USA werden. Eingepreist ist, dass mit einer Figur wie Donald Trump im Weißen Haus das deutsch geführte EU-Europa im Krieg gegen Russland und dem geplanten gegen China selbständig handeln soll und muss – der Zugriff auf Atomwaffen wird längst erörtert.

So war es Zufall und zugleich nicht Zufall, dass der 9. November 2023 zum deutschen Kriegstüchtigkeitstag wurde. Am Morgen verkündeten die Rüstungskonzerne Rheinmetall und Hensoldt satte Quartalsgewinne. Das Armeeministerium schickte am selben Tag »Eurofighter« nach Rumänien, um den Russen in Schach zu halten. Die dauerhafte Entsendung einer 4.000köpfigen »robusten« Brigade nach Litauen verhieß schon zuvor: Der wird jetzt in die Zange genommen. Am Nachmittag verkündete Pistorius endlich wieder verteidigungspolitische Richtlinien, die ersten seit 2011. Fehlte nur noch Johann Wadephul (CDU), der bei Welt-TV Armut wegen Überfluss kritisierte: Die Zeitenwender hätten zwar massenhaft Kriegsgerät bestellt, aber nicht an Personal, das es bedient, gedacht.

Wer Großes vorhat, lässt sich von solchen Details und vom Datum nicht stören. Die Aussicht, neue deutsche Selbständigkeit zu erreichen, steht über Kleinkram. Der 9. November erhielt schon mal die passende Bedeutung.

QOSHE - Kriegstüchtigkeitstag - Arnold Schölzel
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Kriegstüchtigkeitstag

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09.11.2023

Marcus Brandt/dpa

Kriegsminister Boris Pistorius (Hamburg, 27.10.2023)

Nach Jahren des Schrumpfens sei die Bundeswehr seit 2016 »personell wieder auf Wachstumskurs«, meldete das Internetportal der Armee Ende September und zugleich eine kleine Wachstumsdelle: Die Zahl der aktiven Soldaten fiel knapp unter die Marke von 181.000 (davon waren 24.100 Frauen), im August waren es noch 181.500. Ursache des Rückgangs war laut dem Blog Augengeradeaus.net vom 6. November der Rückgang von Freiwilligen, dafür habe sich die Zahl der Berufssoldaten erhöht.

Das war die einzige positive Nachricht vom deutschen Militär in den vergangenen Tagen. Sein Minister Boris Pistorius (SPD) hatte ihm am 29. Oktober im ZDF den........

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