Virginia Mayo/AP

Fahnendekor im Gebäude des Europäischen Rats (14.12.2023)

Krieg spaltet – nicht nur die jeweilige Linke, sondern auch das auf permanenter Krise und antirussischer Aggression errichtete Konstrukt EU. Deren regulärer Gipfel in Brüssel begann jedenfalls als Fortsetzung des Ukraine- wie des Gazakriegs mit anderen, nämlich politischen Mitteln. Irland, Belgien, Spanien und Malta richteten einen gemeinsamen Brief an die Runde, in dem sie laut des belgischen Regierungschefs Alexander De Croo verlangen, Israel eine »klare Botschaft, dass das unnötige Töten von Zivilisten aufhören muss«, zu schicken. Sein irischer Amtskollege Leo Varadkar wollte dem Gipfel sagen, dass die EU in der Nahostfrage Glaubwürdigkeit gegenüber den Ländern des »globalen Südens« verloren habe, »weil wir mit zweierlei Maß messen«.

Solcher nach offiziellen deutschen Maßstäben antisemitische Ausbruch dürfte den bis zu diesem Freitag dauernden Gipfel nicht besonders stark beschäftigen. Doppelstandards sind die Existenzweise nicht nur der Berliner Außenpolitik. Echte Spaltung droht beim Ukraine-Krieg. Da geht es nicht nur um das Pappschild »glaubwürdig«, sondern um eine mögliche militärische Niederlage und um ein finanzielles Desaster bei einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine. Aber auch das ist nicht das zentrale Problem. Die SPD formulierte es soeben gut imperialistisch auf ihrem Parteitag: »Solange sich in Russland nichts fundamental ändert, wird die Sicherheit Europas vor Russland organisiert werden müssen.« Da muss mindestens das Scholz-geführte Deutschland »kriegstüchtig« werden. In diesem Sinn erinnerte EU-Ratspräsident Charles Michel im Einladungsschreiben zum Gipfel an »unser Ziel, eine stärkere geopolitische Union aufzubauen«, und daran, dass die »Schaffung eines Binnenmarktes für Verteidigung« in diesem Bereich von entscheidender Bedeutung sei.

Das Schicksal der in Kiew Regierenden und der Beginn von Beitrittsverhandlungen, ist vergleichsweise sekundär. Zumal der notorische Erpresser Wolodimir Selenskij im Cliquenkampf der Banderisten und mit militärischer Erfolglosigkeit Milliarden Euro verbrannt hat. Dass Viktor Orbán in Brüssel seine Ukraine-Blockade aufgibt, ist nach seinen jüngsten Äußerungen unwahrscheinlich: »Da gibt es nichts zu verhandeln.« Am Mittwoch warf die EU-Kommission mit Brüsseler Speck in Höhe von zehn Milliarden Euro nach der ungarischen Salami. Den »Diktator« rührte das wenig: Vor Gipfelbeginn wurde am Donnerstag ein Termin mit ihm anberaumt, bei dem ihn Emmanuel Macron, Olaf Scholz und Ursula von der Leyen in die Zange nahmen. Resultat: Null.

Eine Verschiebung der Ukraine-Themen ist wahrscheinlich. Vertagen ist seit jeher wichtigstes Instrument der Krisen-EU. Hier sei gewettet: Dem teutonisch größenwahnsinnigen Drang, Russland von Grund auf zu ändern, wird Orbán nicht viel entgegensetzen. Öl, Gas und Uranbrennstäbe kommen bisher störungsfrei nach Ungarn.

QOSHE - Große Pläne - Arnold Schölzel
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14.12.2023

Virginia Mayo/AP

Fahnendekor im Gebäude des Europäischen Rats (14.12.2023)

Krieg spaltet – nicht nur die jeweilige Linke, sondern auch das auf permanenter Krise und antirussischer Aggression errichtete Konstrukt EU. Deren regulärer Gipfel in Brüssel begann jedenfalls als Fortsetzung des Ukraine- wie des Gazakriegs mit anderen, nämlich politischen Mitteln. Irland, Belgien, Spanien und Malta richteten einen gemeinsamen Brief an die Runde, in dem sie laut des belgischen Regierungschefs Alexander De Croo verlangen, Israel eine »klare Botschaft, dass das unnötige Töten von Zivilisten aufhören muss«, zu schicken. Sein irischer Amtskollege Leo Varadkar wollte dem Gipfel sagen, dass die EU in der Nahostfrage........

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