Sie surren und schnurren durch Tel Aviv und auf den israelischen Schnellstraßen. Die Rede ist von den vielen Elektroautos, die man neuerdings überall im Land sieht. Und die offensichtliche Begeisterung der Israelis für die neuen Möglichkeiten der Mobilität spiegelt sich in den Zahlen wider: Im vergangenen Jahr wurden 48.219 batteriebetriebene Fahrzeuge verkauft. Das sind 17,9 Prozent aller 270.073 abgesetzten Pkws und ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von satten 75 Prozent. Und der Siegeszug der Elektroautos geht ungebrochen weiter, nicht zuletzt wegen steuerlicher Vergünstigungen bei der Anschaffung.

Mit dem Technologiewechsel kommen allerdings auch neue Player ins Spiel, und das sind vor allem die Chinesen. Kaum ein Monat vergeht, ohne dass nicht eine weitere Marke aus dem Reich der Mitte ankündigt, im jüdischen Staat ebenfalls nach Kunden Ausschau halten zu wollen. An die 20 Anbieter sollen bereits vertreten sein oder planen den baldigen Markteintritt.

Und bezogen auf den Gesamtmarkt ist China mittlerweile der zweitgrößte Lieferant von in Israel verkauften Fahrzeugen – nur aus Südkorea kommen noch mehr. Das ist umso bemerkenswerter, weil es vor vier Jahren noch so gut wie keine chinesischen Autos im Land zu kaufen gab.

Exemplarisch für den Trend ist der Erfolg von BYD. Das Unternehmen aus Shenzhen verzeichnete 2023 ein Absatzplus von mehr als 308 Prozent gegenüber dem Vorjahr und verkauft Modelle wie den Atto 3 wie frisch geschnitten Brot. Andere Anbieter haben das Nachsehen. Tesla rangiert beim Absatz von Elektroautos auf Platz drei, auf Platz sechs ist mit Škoda ein europäischer Hersteller zu finden, Volkswagen oder Mercedes rangieren eher unter ferner liefen.

Im Frühjahr 2023 war das kleine Israel hinter Russland und Mexiko sogar der bedeutendste Auslandsmarkt für chinesische Fahrzeuge überhaupt, was auf den ersten Blick überraschen mag. So wurden dort mehr Pkws verkauft als in der gesamten Europäischen Union. Geometry beispielsweise, eine Automarke, die zu dem Giganten Geely gehört, setzte 2022 in Israel fast halb so viele Fahrzeuge ab wie in ganz China.

Dahinter steckt eine Strategie. »Für die Chinesen ist Israel ein entwickelter westlicher Markt, auf dem die strengen europäischen Fahrzeugvorschriften gelten und die chinesischen Hersteller mit bekannten Automarken aus aller Welt auf Augenhöhe konkurrieren«, heißt es dazu in der Wirtschaftszeitung »Globes«. Kurzum, für BYD, Geely, SAIC-MG oder Aiways ist Israel so etwas wie ein Versuchsgelände, auf dem sie sondieren, wie man etablierte Anbieter wie Hyundai, Toyota oder Volkswagen anderswo das Fürchten lehren kann. Und das mit Erfolg.

»Angesichts der Popularität chinesischer Produkte in Israel ist ein chinesisches Auto nur eine Erweiterung des Angebots«, erklärt Tomer Hadar, ein Beobachter der Szene für das Konkurrenzblatt »Kalkalist« die plötzliche Beliebtheit chinesischer Pkws. »Wenn man bereits ein chinesisches Smartphone oder einen chinesischen Fernseher hat, warum sollte man sich dann nicht auch ein chinesisches Auto zulegen?« Hinzu kommen attraktive Preise und die technische Finesse.

Die israelische Armee hat bereits Hunderte chinesische Fahrzeuge geleast.

Aber damit fangen Probleme an, die die allerwenigsten auf dem Radar haben dürften. Moderne Elektroautos haben herzlich wenig mit ihren benzinbetriebenen Vorgängern gemein, sondern sind hochentwickelte elektronische Geräte. Oder anders ausgedrückt: Sie sind wie Smartphones auf Rädern, was erklärt, warum auch der Handy- und Gadget-Hersteller Xiaomi nun ins Fahrzeuggeschäft einsteigen will. Ein Elektroauto ist, wie das Mobiltelefon, mit zahlreichen Mikrofonen, Kameras und anderen Sensoren ausgerüstet, die Bilder und Daten aller Art erfassen und sammeln können. Ein Tesla sendet diese an Server in Kalifornien, ein BYD oder Geely hingegen an eine der riesigen Datenfarmen in China, auf die auch die chinesische Regierung ein Auge hat.

Genau das ist einer der Gründe, warum US-Präsident Joe Biden chinesische Elektroautos Ende Februar als eine Gefahr für die nationale Sicherheit bezeichnete und – abgesehen von BYD mit einem kleinen Produktionsstandort für Elektrobusse – keine Hersteller aus China in den USA präsent sind.

Ganz anders dagegen ist die Situation in Israel. So hat die Armee bereits mehrere Hundert chinesische Chery Tiggo 8 als Dienstfahrzeuge geleast, und auch die Polizei benutzt Fahrzeuge »Made in China«. Die Nachrichtenplattform »Wallacars« hatte deswegen kürzlich bei der israelischen Armee nachgehakt und wollte wissen, wie es denn um die Datensicherheit bestellt sei. Ohne in technische Details zu gehen, lautete die vage Antwort, man würde dafür Sorge tragen, dass keine relevanten Informationen an Dritte weitergegeben werden können.

Trotzdem hat man beschlossen, dass ein BYD oder Geely nicht auf einem als besonders sicherheitsrelevant eingestuften Stützpunkt fahren darf. Und die Tatsache, dass der Inlandsgeheimdienst Schin Bet völlig auf chinesische Fahrzeuge verzichtet, spricht Bände. Und noch etwas fällt auf und verwundert. Wer vor der chinesischen Botschaft in Tel Aviv steht, sieht auf dem Parkplatz davor fast ausschließlich Diplomatenfahrzeuge europäischer Herkunft. Offensichtlich traut man der Datensicherheit eines BYD oder Geely auch nicht über den Weg.

QOSHE - Smartphones auf Rädern - Bettina Piper
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Smartphones auf Rädern

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15.04.2024

Sie surren und schnurren durch Tel Aviv und auf den israelischen Schnellstraßen. Die Rede ist von den vielen Elektroautos, die man neuerdings überall im Land sieht. Und die offensichtliche Begeisterung der Israelis für die neuen Möglichkeiten der Mobilität spiegelt sich in den Zahlen wider: Im vergangenen Jahr wurden 48.219 batteriebetriebene Fahrzeuge verkauft. Das sind 17,9 Prozent aller 270.073 abgesetzten Pkws und ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von satten 75 Prozent. Und der Siegeszug der Elektroautos geht ungebrochen weiter, nicht zuletzt wegen steuerlicher Vergünstigungen bei der Anschaffung.

Mit dem Technologiewechsel kommen allerdings auch neue Player ins Spiel, und das sind vor allem die Chinesen. Kaum ein Monat vergeht, ohne dass nicht eine weitere Marke aus dem Reich der Mitte ankündigt, im jüdischen Staat ebenfalls nach Kunden Ausschau halten zu wollen. An die 20 Anbieter sollen bereits vertreten sein oder planen den baldigen Markteintritt.

Und bezogen auf den Gesamtmarkt ist China mittlerweile der zweitgrößte Lieferant von in Israel verkauften Fahrzeugen – nur aus Südkorea kommen noch mehr. Das ist umso bemerkenswerter, weil es vor vier Jahren noch so gut wie keine chinesischen Autos im Land zu kaufen gab.

Exemplarisch für den Trend ist der Erfolg von BYD. Das Unternehmen aus........

© Juedische Allgemeine


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