Bogota. Am Ende wurde der Druck zu groß: Fern der Heimat musste Interimspräsident Ariel Henry seine Machtlosigkeit anerkennen und zurücktreten. Für das von Bandengewalt, Kriminalität und Anarchie heimgesuchte Land ist das erst einmal eine gute Nachricht, denn Henry fehlte die demokratische Legitimation. Fristen für Neuwahlen nach der Ermordung von Staatspräsident Jovenel Moise 2021 wurden ignoriert, Henry gab damit den kriminellen Banden einen Vorwand, ihre Macht noch weiter auszubauen. Das alles passierte auf dem Rücken einer Zivilbevölkerung, deren Leid unfassbar groß ist.

Die Frage ist, wie es nun weitergeht. Die Karibik-Gemeinschaft Caricom hofft auf eine friedliche Transition und Neuwahlen. Eigentliche eine Chance für eine UN-Friedensmission, doch der Ruf der Vereinten Nationen in Haiti ist zerstört, nachdem Blauhelme erst die Cholera einschleppten und die UN dann das alles auch noch vertuschen wollte. Insofern ist es ebenfalls eine gute Nachricht, dass es den Caricom-Staaten gelungen ist, hier einen ersten kleinen Durchbruch zu erreichen. Sie werden nun die Scherben wegräumen müssen, die andere hinterlassen haben. Auch Brasiliens Präsident Lula da Silva, der sich gerne als Anführer des globalen Südens und Kritiker des Westens positioniert, könnte jetzt beweisen, dass er es damit auch wirklich ernst meint und Verantwortung in diesem Teil der Welt übernehmen.

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Eine weitere Hoffnung ist Kenia: Das afrikanische Land ist bereit, eine internationale Polizeimission nach Haiti zu schicken. Damit dies angesichts der Präsenz der brutalen Banden rund um Port-au-Prince kein Himmelfahrtskommando wird, sollte der Rest der Welt im eigenen Interesse Kenia dabei massiv unterstützen.

Und was einen Neuaufbau der staatlichen Institutionen angeht: Das Versagen eines Großteils der Entwicklungshilfe und der NGOs in Haiti nach dem schweren Erdbeben von 2010 sollte eine ehrliche Selbstreflexion auslösen: Was brauchen die Menschen vor Ort eigentlich wirklich? Die Antwort ist überraschend einfach: Schulen, Straßen, Krankenhäuser, physische Sicherheit und Stabilität. Erst einmal muss gewährleistet werden, dass sich die Menschen wieder auf die Straße trauen können.

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Was sie nicht brauchen: Belehrung und ideologische Dominanz. Gelingt es, die Entwicklungshilfe danach auszurichten, wäre schon viel gewonnen, weil sie sich dann nach den Bedürfnissen der Menschen und nicht nach eigenen ideologischen Überzeugungen ausrichtet.

Das wäre auch im Interesse der USA und der Dominikanischen Republik: Beide Länder sind das Hauptziel der Migration verzweifelter Haitianer. Die dürfte nur dann mittelfristig zurückgehen, wenn es wieder eine Perspektive gibt, dass es besser werden könnte. Für den Aufbau der staatlichen Institutionen und die Demokratie sind die Haitianer dann selbst verantwortlich. Und auch wenn das so manch weißer Helfer nicht glauben kann: Sie könnten das auch schaffen, wenn man sie denn lässt. Und sie haben sogar ein eigenes Recht aufs Scheitern. Der Versuch, von außen neue Strukturen aufzubauen, ist dagegen kläglich gescheitert. Wieder einmal. Es ist ein Trauerspiel.

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Haiti: Ein erster Anfang ist gemacht

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12.03.2024

Bogota. Am Ende wurde der Druck zu groß: Fern der Heimat musste Interimspräsident Ariel Henry seine Machtlosigkeit anerkennen und zurücktreten. Für das von Bandengewalt, Kriminalität und Anarchie heimgesuchte Land ist das erst einmal eine gute Nachricht, denn Henry fehlte die demokratische Legitimation. Fristen für Neuwahlen nach der Ermordung von Staatspräsident Jovenel Moise 2021 wurden ignoriert, Henry gab damit den kriminellen Banden einen Vorwand, ihre Macht noch weiter auszubauen. Das alles passierte auf dem Rücken einer Zivilbevölkerung, deren Leid unfassbar groß ist.

Die Frage ist, wie es nun weitergeht. Die Karibik-Gemeinschaft Caricom hofft auf eine friedliche Transition und Neuwahlen. Eigentliche eine Chance für eine UN-Friedensmission, doch der Ruf der Vereinten Nationen in Haiti ist zerstört, nachdem Blauhelme........

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