Stand: 13.03.2024, 15:02 Uhr

Von: Leo Fischer

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Es überzeugt nicht wenn in Frankfurt nur einige Stadtviertel verkehrsberuhigt und grüner werden, während woanders weiter das übliche Elend herrscht.

Das ist super: In Frankfurt sollen demnächst schnöde Stadtviertel zu sogenannten Superblocks aufgewertet werden. Dabei geht es um die Schaffung verkehrsberuhigter Viertel, in denen das Leben grünt und blüht, in denen die Menschen auf der Straße lachen und Kinder sorglos spielen, während außerhalb weiter das übliche Elend herrscht.

Für Frankfurt geht es dabei voraussichtlich um Bockenheim und Nordend-West, also Viertel, die ohnehin schon super sind, was einerseits die Lebensqualität, aber vor allem, was die Mieten angeht. Immobilienbesitzende in diesen Vierteln dürften frohlocken, denn die Aufwertung dieser Toplagen zum Superblock beinhaltet fast zwangsläufige enorme Wertsteigerungen – ohne dass man dafür auch nur einen Finger krumm machen müsste. So sorgen die Superblocks dafür, dass Leuten, denen es ohnehin schon hervorragend geht, das Leben noch ein bisschen angenehmer wird – einfach super!

Leider geht das Wohnen im Superblock nicht automatisch mit Superkräften einher; dennoch wäre es nicht nur im Sinne der Stadtentwicklung, die Bewohner:innen der Superblocks ihrer besonderen Bedeutung angemessen mit Privilegien auszustatten: von besonderen Parkausweisen, Vorfahrtsrechten über Steuererleichterungen bis hin zu internationalen Bildungsurlauben in anderen Superblocks (Barcelona).

Klar muss werden: Superblockbewohner:innen dienen als eine Elite ökologischer und sozialer Gerechtigkeit; sie dienen immer auch als Botschafter:innen oder Multiplikator:innen des Superblockdenkens. Sie sind potentielle Samenkörner für ein, zwei, viele Superblocks, sei es im Hamburger Schanzenviertel oder in München-Grünwald.

Superblocks können dabei Vorbildcharakter haben für verschiedene Reformvorhaben, die sonst liegenbleiben, denn was sich gesamtgesellschaftlich nicht realisieren lässt, kann immerhin im Kleinen, als Modellprojekt oder Innovationsregion verwirklicht werden.

So zum Beispiel könnte in der Superstreet Mörfelder Landstraße experimentell auf Kohlestrom verzichtet werden. Der Powerblock Gallus könnte innovative Schulen einrichten, in denen es erstmalig benutzbare Toiletten gibt. Niederrad könnte als Equal-Pay-Modellregion ausnahmsweise die Arbeit von Frauen genauso bezahlen wie die von Männern, Höchst hingegen – warum auch nicht – eine eigene atomare Erstschlagskapazität aufbauen.

Wichtig ist nur der Mut und Wille zum Experiment, wichtig ist auch, dass die entsprechenden Experimente niemals irgendwas strukturell verändern oder gar gesamtgesellschaftlich wirken, sondern als Geste guten Willens verbucht werden können, während überall anders genauso hohl vor sich hingewurschtelt wird wie eh und je.

Die Eventisierung politischer Erneuerung könnte sogar noch kleinteiliger gedacht werden: Beispielsweise könnten sich einzelne Griesheimer Mietshäuser als „Modellregion Steuergerechtigkeit“ deklarieren und eventuell hier lebende Milliardäre kräftig zur Kasse bitten. In einzelnen Häusern der Ernst-May-Siedlung könnte das blockierte Lieferkettengesetz doch noch Anwendung finden, so dass dort eventuell existierende Textilsweatshops geschlossen werden müssen.

Gerechtigkeit ist ganz einfach: Man muss damit nur im Kleinen anfangen. Und dort für immer bleiben.

Leo Fischer ist Autor, Stadtrat in Frankfurt (Ökolinx) und war Chefredakteur des Satiremagazins „Titanic“.

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Was an Superblocks nicht super ist

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13.03.2024

Stand: 13.03.2024, 15:02 Uhr

Von: Leo Fischer

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Es überzeugt nicht wenn in Frankfurt nur einige Stadtviertel verkehrsberuhigt und grüner werden, während woanders weiter das übliche Elend herrscht.

Das ist super: In Frankfurt sollen demnächst schnöde Stadtviertel zu sogenannten Superblocks aufgewertet werden. Dabei geht es um die Schaffung verkehrsberuhigter Viertel, in denen das Leben grünt und blüht, in denen die Menschen auf der Straße lachen und Kinder sorglos spielen, während außerhalb weiter das übliche Elend herrscht.

Für Frankfurt geht es dabei voraussichtlich um Bockenheim und Nordend-West, also Viertel, die ohnehin schon super sind, was einerseits die Lebensqualität, aber vor allem, was die Mieten angeht. Immobilienbesitzende in diesen Vierteln dürften frohlocken, denn die Aufwertung dieser........

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