Stand: 27.03.2024, 16:55 Uhr

Von: Eva Quadbeck

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Die Frühjahrsprognose zeigt, dass die hiesige Wirtschaft erst wieder zu alter Stärke findet, wenn strukturelle Probleme beseitigt werden. Die Ampel könnte mit einer schlüssigen Politik dazu beitragen.

Die besorgniserregende Nachricht der volkswirtschaftlichen Frühjahrsprognose liegt darin, dass sich Deutschland nicht einfach in einem konjunkturellen Formtief befindet, sondern unter tiefliegenden strukturellen Problemen leidet. Ohne ein grundsätzliches Umsteuern wird die Ökonomie nicht zu alter Stärke zurückfinden. Dazu gehören ein paar unbequeme Wahrheiten.

So ist die Produktivität der Industrie deutlich geringer, als es die Ökonomen im vergangenen Jahr noch angenommen hatten. Insbesondere die sogenannten energieintensiven Branchen schwächeln. Ihre Ergebnisse liegen 20 Prozent unter Vorkriegsniveau.

Das ist umso alarmierender, da sich die globale Konjunktur gerade erholt. Die Nachfrage nach „Made in Germany“ aber ist gesunken. Zudem sind Teile der engergieintensiven Produktion bereits ins Ausland abgewandert. Wenn Deutschland seine Energiepreise nicht in den Griff bekommt, wird diese Spirale nach unten nicht zu stoppen sein.

Ins Kontor schlägt zudem der Fachkräftemangel. Deutschland hat nicht nur zu wenige Fachkräfte – die vorhandenen Arbeitskräfte arbeiten auch zu wenig, wie die Analyse der Wirtschaftsweisen zeigt. Die von der Lokführergewerkschaft erstreikte 35-Stunden-Woche sollte also nicht Vorbild für andere Branchen werden. Die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt hilft, die Wirtschaftsentwicklung zu stabilisieren. Allerdings ist das Qualifikationsniveau der Flüchtlinge für den Bedarf der Unternehmen nicht hoch genug, um die fehlenden einheimischen Arbeitskräfte zu kompensieren. Deutschland braucht also weiter eine hohe Zuwanderung in den Arbeitsmarkt – aber eben qualifizierte.

Hilfreich wäre es zudem, wenn die Ampel-Regierung endlich zu einer geeinten und strategisch ausgerichteten Wirtschafts- und Finanzpolitik finden könnte. Das ständige Hü und Hott zwischen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Lindner (FDP) bremst Investitionen.

Deutschland braucht passende Rahmenbedingungen für Unternehmensansiedlungen. Das unstrukturierte Zahlen von Subventionen ist nicht nachhaltig. Helfen würden vielmehr verlässliche Transportmöglichkeiten auf Straße und Schiene, zügige Digitalisierung und bezahlbare Energiepreise.

Auch die Bürgerinnen und Bürger sind durch das Hin und Her der Regierung verunsichert: Immer wieder werden Töpfe eingerichtet, die Anreize für private Investitionen wie beispielsweise in E-Mobilität setzen sollen.

Wenn das Geld weg ist, stockt die Entwicklung wieder. Das erzeugt Mitnahmeeffekte und ist wenig zielführend. Die unsichere weltpolitische Lage kombiniert mit einer schwankenden Regierungspolitik sorgt erst recht für Verunsicherung bei den Bürgerinnen und Bürgern. Diese reagieren nachvollziehbarerweise mit einer erhöhten Sparquote – Geld, das der Konjunktur fehlt.

Den Reformstau und die strukturelle Rückständigkeit des Industriestandorts Deutschland hat die Bundesregierung nicht alleine zu verantworten. Die Versäumnisse liegen in den vergangenen 20 Jahren. Der Ampel ist es bisher allerdings auch nicht gelungen, bei der Digitalisierung, für die Infrastruktur, im Bildungssystem, gegen eine überbordende Bürokratie und für die Energiewende ausreichend Dynamik zu entfalten.

Und schließlich wäre da die Schuldenbremse. Die Wirtschaftsweisen empfehlen zu Recht eine Reform. Wobei sie gleichzeitig davor warnen, dass ein Lockern der strikten Regeln zur Schuldenaufnahme kein Allheilmittel sei. Eine solche Reform kann gezielte und notwendige Investitionen erleichtern. Auf keinen Fall sollten neue Schulden für einen höheren Staatskonsum, also zusätzliche Sozialausgaben, eingesetzt werden. Berichte S. 2/3

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Umsteuern tut not

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27.03.2024

Stand: 27.03.2024, 16:55 Uhr

Von: Eva Quadbeck

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Die Frühjahrsprognose zeigt, dass die hiesige Wirtschaft erst wieder zu alter Stärke findet, wenn strukturelle Probleme beseitigt werden. Die Ampel könnte mit einer schlüssigen Politik dazu beitragen.

Die besorgniserregende Nachricht der volkswirtschaftlichen Frühjahrsprognose liegt darin, dass sich Deutschland nicht einfach in einem konjunkturellen Formtief befindet, sondern unter tiefliegenden strukturellen Problemen leidet. Ohne ein grundsätzliches Umsteuern wird die Ökonomie nicht zu alter Stärke zurückfinden. Dazu gehören ein paar unbequeme Wahrheiten.

So ist die Produktivität der Industrie deutlich geringer, als es die Ökonomen im vergangenen Jahr noch angenommen hatten. Insbesondere die sogenannten energieintensiven Branchen schwächeln. Ihre Ergebnisse liegen 20 Prozent unter Vorkriegsniveau.

Das ist umso alarmierender, da sich........

© Frankfurter Rundschau


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