Stand: 15.01.2024, 16:14 Uhr

Von: Eva Quadbeck

Kommentare Drucken Teilen

Beim Weltwirtschaftsforum muss mehr als sonst über weltweite Sicherheit gesprochen werden. Sie ist untrennbar mit der ökonomischen Entwicklung verbunden.

Das Weltwirtschaftsforum in Davos wird in diesem Jahr ein trauriges Symbol dafür sein, wie sich die Themen der Globalisierung verändert haben. Einst stand das jährliche Treffen der weltweiten Wirtschaftselite mit den führenden politischen Köpfen des Planeten im Zeichen von Aufbruch, Fortschritt und Zukunftsoptimismus. In diesen Tagen geht es vor allem darum, eine weitere Eskalation in der Ukraine, in Nahost und im Pazifik zwischen China und Taiwan zu verhindern.

In Davos spiegelt sich, was die Zeitenwende für die globale Wirtschaft bedeutet. Es muss dort bedauerlicherweise mehr über Sicherheit und Verteidigung als über Innovation und Wachstum gesprochen werden. Aus dem Wirtschaftsforum wird eine Art Sicherheitskonferenz.

Die Risiken für die weltweiten Ökonomien sind dramatisch: Die europäische Wirtschaft leidet unter dem Krieg in der Ukraine, zugleich werden die Staatshaushalte aufgrund der Waffenlieferungen und humanitären Hilfe belastet. Derweil schaut die Weltwirtschaft bang auf die Auseinandersetzung des Westens mit den Huthi-Rebellen im Roten Meer. Mit militärischer Machtdemonstration versuchen die USA und ihre Verbündeten, zumindest die Handelswege für die Schifffahrt zu sichern. Und sollte es tatsächlich zu einem Angriff Chinas auf Taiwan kommen, muss mit einem Einbruch des Bruttoinlandprodukts weltweit um zehn Prozent gerechnet werden.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es so kommt, ist recht hoch. China hat in jüngster Zeit immer wieder angedroht, den nur von wenigen Ländern anerkannten Inselstaat wieder ans eigene Reich anzuschließen.

Mehr noch: Leider hemmen nicht nur die Kriegs- und Krisenherde den möglichen Ertrag eines globalen Freihandels. In diesem Jahrhundert sind zahlreiche Staaten nationalistischer und autoritärer geworden. Auch das wird in Davos zu spüren sein: Statt um Freihandel geht es um Protektionismus. Europa, die USA, China – sie alle subventionieren die heimischen Märkte und stehen als Rivalen statt als Partner im globalen Wettbewerb.

Wie ein Damoklesschwert wird zudem die US-Wahl über dem Treffen in den Schweizer Bergen hängen. Sollte sich Donald Trump abermals bei der US-Wahl im November durchsetzen, droht ein Rückzug der Amerikaner aus dem Pazifik, aus Nato-Verpflichtungen und aus der Ukrainehilfe sowieso. Für Europa bedeutet ein solches Szenario zuerst ein großes sicherheitspolitisches Problem. In der Folge sind aber eben auch Freiheit und Wohlstand bedroht.

Die Parallele zwischen dem Weltwirtschaftsforum in Davos und Thomas Manns „Zauberberg“, der zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts eben dort spielte, ist naheliegend. In dem Roman versammelt sich im Sanatorium in den Schweizer Bergen eine eigene Welt, deren Charaktere die Lage von Politik und Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg verkörperten. Erst mit dem Donnerschlag des Kriegsausbruchs wurden sie in die Realität zurückgeholt.

Ob das Treffen der Eliten in Davos das Drama des 21. Jahrhunderts lindern und etwas zum Besseren bewegen kann, ist offen. Das Forum hat noch nicht einmal den Status eines Gipfels, bei dem Staaten zumindest Absichtserklärungen vereinbaren. Immerhin bietet es den politischen Spitzen und Wirtschaftsführern Gelegenheit zum persönlichen Austausch.

Der Freiraum, ohne Abschlusspapier und Pressekonferenzen zusammenkommen zu können, ist ein Wert an sich. Der neue populistische argentinische Präsident Javier Milei hat sein Kommen angekündigt – vielleicht gelingt es, ihn international einzubinden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will weiter für Waffenlieferungen werben – vielleicht gelingen am Rande auch Gespräche über ein Ende des Kriegs.

Bericht S. 4

QOSHE - Davos - ein Freiraum fürs Denken in Zeiten globaler Risiken - Eva Quadbeck
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Davos - ein Freiraum fürs Denken in Zeiten globaler Risiken

4 0
15.01.2024

Stand: 15.01.2024, 16:14 Uhr

Von: Eva Quadbeck

Kommentare Drucken Teilen

Beim Weltwirtschaftsforum muss mehr als sonst über weltweite Sicherheit gesprochen werden. Sie ist untrennbar mit der ökonomischen Entwicklung verbunden.

Das Weltwirtschaftsforum in Davos wird in diesem Jahr ein trauriges Symbol dafür sein, wie sich die Themen der Globalisierung verändert haben. Einst stand das jährliche Treffen der weltweiten Wirtschaftselite mit den führenden politischen Köpfen des Planeten im Zeichen von Aufbruch, Fortschritt und Zukunftsoptimismus. In diesen Tagen geht es vor allem darum, eine weitere Eskalation in der Ukraine, in Nahost und im Pazifik zwischen China und Taiwan zu verhindern.

In Davos spiegelt sich, was die Zeitenwende für die globale Wirtschaft bedeutet. Es muss dort bedauerlicherweise mehr über Sicherheit und Verteidigung als über Innovation und Wachstum gesprochen werden. Aus dem Wirtschaftsforum wird eine........

© Frankfurter Rundschau


Get it on Google Play