Stand: 17.03.2024, 14:51 Uhr

Von: Anetta Kahane

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Es gehört zu den Instrumten des Judenhasses, das Gegenteil der Wirklichkeit zu behaupten. So wie heute angesichts des Gaza-Kriegs. Die Kolumne.

Der Spruch über der Toreinfahrt in Ausschwitz ist eine Lüge. Arbeit macht frei? Das Gegenteil war der Fall. Jener Häftling, der den Schriftzug schmieden musste, wollte es alle wissen lassen. Also drehte er das B im Wort Arbeit um. Der dicke Bogen im B zeigt nach oben, der dünne unten. Hier, so zeigte es damals der mutige Schmied, hier steht die Welt auf den Kopf.

Das Gegenteil der Wirklichkeit zu behaupten, gehörte schon immer zu den Instrumenten des Judenhasses. Der Antisemitismus selbst beruht auf reinen Lügen. Brunnen vergiften? Kinder schlachten? Welten destabilisieren? Vorsätzlich und böse? Sich dann wundern, weshalb die Deutschen sie aus Notwehr auszulöschen versuchten? Und jetzt? Jetzt missbrauchen die Israelis und die Juden diesen einen Holocaust ‚unter vielen anderen‘. Sie wollen herzlos, böse und absichtsvoll die Palästinenserinnen und Palästinenser in Gaza auszurotten? Wie gerade bei der Oscar-Preisverleihung zu sehen war, immer häufiger erklären Ceasefire-Fans die Shoa für ungültig im Sinne einer grundsätzlichen jüdischen Erfahrung. Der Krieg beschmutze das Andenken an die Opfer. Dickes B.

Wenn ich das Wort Genocide wahrnehme, höre ich wieder den Vorwurf des bösartigen, jüdischen Vorsatzes. Und schlimmer noch: Er schützt sich vor Kritik hinter der erpresserischen Erinnerung an die Shoa. Die Opfer von damals, so geht es dann weiter, würden allein durch die Existenz Israels beleidigt. Und alle, die gegen die „israelische Regierungspolitik“ sein, dürften ja nichts sagen. Weil die Juden/der Zentralrat/die Politiklakaien es nicht wollten. Alles daran ist eine unverschämte und antisemitische Lüge. Dickes B!

Der Konflikt selbst wäre ganz einfach zu lösen, ginge es nach den echten Friedensfreunden. Die Jüdinnen und Juden bräuchten nur zu verschwinden. Aus der Region selbst und von überall, wo sie wieder Ärger machen und sich gegen Lügen und Bedrohungen wehren. Sie sollen doch einfach aufhören, Juden zu sein. Sie sollen die Klappe halten, nicht auf Widersprüche hinweisen, nicht verlangen, zwischen Bedeutung und Wahrheit unterscheiden zu können oder zwischen Moral und Ethik.

Diese Dinge sind den Ceasefire-Schreiern vollkommen egal. Sie fordern nicht von der Hamas, selbst die Waffen niederzulegen und die Geiseln freizulassen. Sie protestieren nicht gegen die Hamas, wenn die ihre eigenen Leute erschießen, weil sie Hilfsgüter wollen, statt sie von der Hamas stehlen zu lassen.

Diese wohlsituierten Leute, die von all den Schrecken des Gaza-Krieges, allein das Andenken an die Opfer der Shoa beschmutzt sehen, erkennen sexuelle Gewalt gegenüber israelischen Frauen nicht an. Obwohl sie von der Hamas ebenso obszön exekutiert wie dokumentiert wurde? Stattdessen verlangen sie, dass unbürokratisch – also ohne Kontrollen – mehr Lastwagen mit Hilfsgütern nach Gaza gelassen werden. Ganz so, als ob noch niemals Waffen in diesen Lieferungen geschmuggelt wurden. Oder hunderttausende Tonnen Zement für die Tunnel, in die Zivilistinnen und Zivilisten sich heute nicht flüchten dürfen. Ganz dickes B!

Nein. Arbeit macht nicht frei. Der Schrei nach Ceasefire bringt niemandem Frieden, die israelischen Frauen nicht sind selber schuld. Das Massaker vom 7. Oktober war keine revolutionäre Notwehr. Und Israel ist nicht „unser Unglück“. Das B steht noch immer auf dem Kopf. Dick wie eh und je.

Anetta Kahane war Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung.

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Dickes B

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17.03.2024

Stand: 17.03.2024, 14:51 Uhr

Von: Anetta Kahane

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Es gehört zu den Instrumten des Judenhasses, das Gegenteil der Wirklichkeit zu behaupten. So wie heute angesichts des Gaza-Kriegs. Die Kolumne.

Der Spruch über der Toreinfahrt in Ausschwitz ist eine Lüge. Arbeit macht frei? Das Gegenteil war der Fall. Jener Häftling, der den Schriftzug schmieden musste, wollte es alle wissen lassen. Also drehte er das B im Wort Arbeit um. Der dicke Bogen im B zeigt nach oben, der dünne unten. Hier, so zeigte es damals der mutige Schmied, hier steht die Welt auf den Kopf.

Das Gegenteil der Wirklichkeit zu behaupten, gehörte schon immer zu den Instrumenten des Judenhasses. Der Antisemitismus selbst beruht auf reinen Lügen. Brunnen vergiften? Kinder schlachten? Welten destabilisieren? Vorsätzlich und böse? Sich dann wundern, weshalb die Deutschen........

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