Stand: 20.03.2024, 17:38 Uhr

Von: Andreas Schwarzkopf

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Die EU-Staaten dürfen Sicherheit nicht auf das Militärische reduzieren. Der Leitartikel.

Wenn der EU-Gipfel zur europäischen Sicherheit noch eine Motivation brauchte, dann hat sie Donald Trump geliefert. Der frühere US-Präsident hat seine Äußerungen zur Nato relativiert und will nun doch den europäischen Verbündeten beistehen, wenn sie fair seien, das heißt: das Zwei-Prozent-Ziel des Verteidigungsbündnisses umsetzen.

Auf dem alten Kontinent sollte niemand zu viel auf diese Zusage geben, die der designierte Präsidentschaftskandidat der Republikaner erst auf Nachfrage gegeben hat. Die geringfügig abgeschwächte Rhetorik ist auch eher der Dramaturgie des US-Wahlkampfes geschuldet. Bis zur Nominierung geht es um die Stimmen im eigene Lager, weshalb die Slogans oft zugespitzt sind. Danach gilt es, mit freundlicher formulierten Sätzen auch die Unentschiedenen zu erreichen, die letztlich wahlentscheidend sind.

Ohnehin sollte allen klargeworden sein, dass auch ein Präsident Joe Biden in seiner möglichen zweiten Amtszeit die Europäer dazu drängen wird, mehr für ihre eigene Sicherheit zu unternehmen, damit sich die USA auf die Auseinandersetzung mit China konzentrieren kann. Mit Biden dürfte dieser Prozess allerdings weniger holprig werden.

Und niemand sollte vergessen, dass die USA sich aus geostrategischen Gründen wohl kaum vollständig aus Europa zurückziehen werden. Die US-Basen hierzulande oder in Italien dienen auch als Sprungbrett in den Nahen Osten oder nach Afrika. Aber vor allem dient das globale militärische Netz der Weltmacht dazu, deren politische und wirtschaftliche Interessen zu schützen – wie nicht nur der Einsatz gegen die Huthi-Rebellen im Roten Meer zeigt.

So oder so sind die Europäer herausgefordert. Sie müssen nicht nur viel länger als gedacht die Ukraine mit Waffen und viel Geld unterstützen, damit Kiew sich gegen den Aggressor Russland verteidigen kann. Sie müssen obendrein ihre Armeen teils neu ausrichten und dafür aus- sowie aufrüsten. Sie müssen auch endlich die Beschaffung von Waffen besser koordinieren.

Dafür wird es nötig sein, die nationalen Interessen der einzelnen Staaten den Zielen des gesamten Projekts unterzuordnen. So können sich Deutschland und Frankreich beispielsweise den Streit über den künftigen Kampfpanzer nicht leisten. Auch mehr Absprache ist nötig, damit Verwerfungen vermieden werden wie bei dem geplanten Raketenschutzschirm.

Nur wenn das gelingt, werden die Kosten sich im Rahmen halten, Arbeitsplätze innerhalb der europäischen Nato-Staaten erhalten bleiben und vor allem die euroäpäische Verteidigung organisiert werden.

Die Europäer sind auch gut beraten, wenn sie Sicherheit nicht allein militärisch definieren. Der hybride Konflikt mit Russland beispielsweise verdeutlicht, das es auch um Cybersicherheit und den Schutz vor Desinformationskampagnen geht.

Dazu gehört auch die Erweiterung der Europäischen Union. Die Ukraine wird auf eine Aufnahme bis nach dem Ende des Krieges warten müssen. Doch bei den Balkanstaaten ist es hilfreich, die nötigen Prozesse zu beschleunigen, um auch dieses Einfallstor für russische und chinesische Initiativen zu schließen. Allerdings darf Brüssel dafür die EU-Standards nicht vernachlässigen.

Ökonomisch müssen sich die Europäer ebenfalls weiter neu aufstellen. Investitionen in Chip-Fabriken wie hierzulande oder Produktionstätten für Medikamente sind da nur ein Teil. Sie werden sich auch wappnen müssen, wenn China weiter sein Geschäftsmodell umstellt und nicht mehr nur die Werkbank der Welt ist, sondern auch Waren wie Elektroautos oder Sonnenkollektoren exportieren will.

Wichtig für die Europäer wird aber auch der Kampf gegen den Rechtspopulismus sein. Der gedeiht vor allem durch die Unsicherheiten, hervorgerufen von Krisen, aber auch durch ökonomische Ungleichheiten und eine verfehlte Wirtschaftspolitik.

Nimmt man noch die Belastungen des Klimaschutzes und den damit verbundenen sozioökonomischen Umbau der Wirtschaft hinzu, dann entsteht eine lange Liste von Aufgaben. Sie muss einen aber nicht verzweifeln lassen.

Schließlich haben die Europäer trotz aller Unkenrufe nicht nur die Banken- und Wirtschaftskrise Ende der Nullerjahre überstanden, sondern auch Mitte der Zehnerjahre eine hohe Zahl von vor allem syrischen Flüchtlingen aufgenommen sowie eine ebenso hohe Zahl von Hilfesuchenden aus der Ukraine nach dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf das Nachbarland.

Die einzelnen Herausforderungen werden auch nicht von heute auf morgen bewältigt werden. Doch die Europäer haben die Konzepte und die geistigen und finanziellen Ressourcen, um die Aufgaben zu lösen.

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Trump und EU-Gipfel: Europas Aufgaben

8 0
20.03.2024

Stand: 20.03.2024, 17:38 Uhr

Von: Andreas Schwarzkopf

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Die EU-Staaten dürfen Sicherheit nicht auf das Militärische reduzieren. Der Leitartikel.

Wenn der EU-Gipfel zur europäischen Sicherheit noch eine Motivation brauchte, dann hat sie Donald Trump geliefert. Der frühere US-Präsident hat seine Äußerungen zur Nato relativiert und will nun doch den europäischen Verbündeten beistehen, wenn sie fair seien, das heißt: das Zwei-Prozent-Ziel des Verteidigungsbündnisses umsetzen.

Auf dem alten Kontinent sollte niemand zu viel auf diese Zusage geben, die der designierte Präsidentschaftskandidat der Republikaner erst auf Nachfrage gegeben hat. Die geringfügig abgeschwächte Rhetorik ist auch eher der Dramaturgie des US-Wahlkampfes geschuldet. Bis zur Nominierung geht es um die Stimmen im eigene Lager, weshalb die Slogans oft zugespitzt sind. Danach gilt es, mit freundlicher formulierten Sätzen auch die Unentschiedenen zu erreichen, die letztlich wahlentscheidend sind.

Ohnehin sollte allen klargeworden sein, dass auch ein Präsident Joe Biden in seiner möglichen zweiten Amtszeit die Europäer dazu........

© Frankfurter Rundschau


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