Stand: 25.03.2024, 10:58 Uhr

Von: Andreas Schwarzkopf

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Bereits wenige Stunden nach dem blutigen Attentat bei Moskau versucht der Kreml, den Anschlag für seine Ziele zu nutzen. Das lässt nichts Gutes ahnen.

Statt nach dem blutigen Terroranschlag bei Moskau mit mindestens 130 Toten und vielen Verletzten innezuhalten und die Tat erst einmal aufzuklären, beschuldigt die russische Propaganda trotzt des Bekenntnisses des selbst ernannten „Islamischen Staates“ die Ukraine für das Verbrechen verantwortlich zu sein. Das lässt nichts Gutes ahnen – weder für Russland noch für das Nachbarland.

Der Autokrat Wladimir Putin wird weiter alles tun, um die Trauer und die Wut seiner Landsleute auf das überfallene Nachbarland zu lenken. Bereits wenige Stunden nach dem Attentat hat er damit begonnen. Es scheint, als ob er sich weniger Zeit nimmt für die trauernde Bevölkerung, aber um so mehr, um wortreich gegen die Ukraine zu wettern.

Ganz offensichtlich interessiert ihn wenig, dass Kiew gar kein Interesse an solch einem Anschlag hat, weil die Regierung von Wolodymyr Selenskyj damit die westlichen Hilfen gefährden würde. Ohne deren Geld und Waffen könnte Kiew allerdings wohl kaum gegen den Aggressor bestehen.

Doch derlei Überlegungen und ukrainische Dementis werden den Kreml nicht daran hindern, die eingeschlagene Linie weiter zu verfolgen. Dann dürfte es leichter fallen, eine erneute Mobilmachung umzusetzen. Schließlich ist der Krieg verlustreich, braucht die russische Armee dringend frische Kräfte.

Dieses Vorgehen kennt man jedenfalls von Putin. So hat er beispielsweise den Anschlag im Moskauer Dubrowka-Theater im Jahr 2002 dazu genutzt, um sich mit weitreichenden Befugnissen ausstatten zu lassen. Nichts Gutes ahnen lässt jedenfalls, dass die russische Propaganda rund um das Attentat vom Freitagabend die Debatte über die Wiedereinführung der Todesstrafe befeuert.

Das Regime Putin wird auch viel trommeln müssen, damit nicht doch zu viele Menschen in Russland auf die Idee kommen, er könne doch nicht für die versprochene Sicherheit und Ruhe sorgen. Der Anschlag jedenfalls kratzt an diesem Image, das ein wichtiges Element von Putins Herrschaft ist.

Anderen wird vielleicht auffallen, dass die russischen Sicherheitskräfte nicht schnell vor Ort waren. Wo sonst bei kleineren Vergehen der Machtapparat sofort gegen Menschen vorgeht, hat es diesmal lange gedauert, bis das sonst allgegenwärtige Überwachungssystem reagierte.

Zudem wird Putin weitere Attacken auf ukrainische Städte mit dem Massaker in der Crocus-City-Konzerthalle rechtfertigen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn die russische Armee die Zahl der Angriffe auf zivile Ziele noch erhöht.

Verschweigen wird der Kreml, dass Putin die Hinweise der USA auf ein mögliches Attentat als westliche Propaganda abgetan hat. Der Kreml konnte oder wollte sich nicht vorstellen, dass aus dem bösen Westen etwas Gutes kommen könnte.

Damit wird erneut deutlich, wie groß die Abneigung und das Misstrauen im Kreml gegenüber westlichen Staaten bereits sind. Eine Zusammenarbeit bei der Aufklärung der Tat von selbst ernannten Gotteskriegern wäre vielleicht sogar möglich, aber unter den jetzigen Bedingungen weder denkbar noch durchführbar.

Und so erinnert der Anschlag des „Islamischer Staats Khorasan“ nicht nur Russland, sondern auch westliche Staaten an diese Bedrohung. Der IS-Ableger aus Afghanistan mag zwar derzeit eher Moskau im Visier haben als westliche Staaten wegen des sowjetischen Feldzugs in Afghanistan und der Intervention in Syrien für das Regime von Baschar al-Assad. Doch die große Wut über das Vorgehen Israels im Gazastreifen weckt Befürchtungen, dass Israels westliche Verbündete von radikalen Islamisten zum Ziel für Racheakte werden. (Andreas Schwarzkopf)

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Putin nutzt Terroranschlag für Propaganda gegen Ukraine

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25.03.2024

Stand: 25.03.2024, 10:58 Uhr

Von: Andreas Schwarzkopf

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Bereits wenige Stunden nach dem blutigen Attentat bei Moskau versucht der Kreml, den Anschlag für seine Ziele zu nutzen. Das lässt nichts Gutes ahnen.

Statt nach dem blutigen Terroranschlag bei Moskau mit mindestens 130 Toten und vielen Verletzten innezuhalten und die Tat erst einmal aufzuklären, beschuldigt die russische Propaganda trotzt des Bekenntnisses des selbst ernannten „Islamischen Staates“ die Ukraine für das Verbrechen verantwortlich zu sein. Das lässt nichts Gutes ahnen – weder für Russland noch für das Nachbarland.

Der Autokrat Wladimir Putin wird weiter alles tun, um die Trauer und die Wut seiner Landsleute auf das überfallene Nachbarland zu lenken. Bereits wenige Stunden nach dem Attentat hat er damit begonnen. Es scheint, als ob er sich weniger Zeit nimmt für die trauernde........

© Frankfurter Rundschau


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