Stand: 24.01.2024, 11:46 Uhr

Von: Andreas Schwarzkopf

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Es ist eine schöne Idee, die israelischen Geiseln gegen eine Feuerpause einzutauschen. Doch dafür spricht genauso wenig wie für eine baldige Zweistaatenlösung zwischen Israel und Palästinensern. Der Leitartikel.

Tel Aviv – Den israelischen Geiseln in der Gewalt der radikalislamistischen Hamas ist zu wünschen, dass sich der angestrebte Handel Feuerpause gegen die Entführten schnell realisieren lässt. Zu fürchten ist allerdings, dass der Deal in dem komplizierten Gestrüpp aus vielen internationalen Vermittelnden und den gegensätzlichen Interessen Israels und der Hamas zerrieben wird.

Zu einer schnellen Lösung ist Netanjahu jedenfalls nicht in der Lage, weil er dem Krieg gegen die Angreifer vom 7. Oktober immer Vorrang gegeben hat. Die Geiselfrage war zweitrangig. Erschwerend kommt hinzu, dass ihm und seiner Regierung eine politische Idee fehlt, mit der sie den Konflikt beenden könnten.

Aufseiten der Hamas sieht es nicht viel besser aus. Sie verhindern mit ihren Maximalforderungen Fortschritte bei den Verhandlungen über die Geiseln. Zudem sind sie sehr daran interessiert, die Geiseln nicht zu früh freizulassen. Dann würde die israelische Armee bei ihren Angriffen auf die Hamas-Kämpfer sicher noch weniger Rücksicht nehmen.

Besonders schwer wiegt, dass sich beide Seiten nicht über den Weg trauen. Vor allem bei den Israelis ist das nach dem barbarischen Überfall der Hamas am 7. Oktober zwar nachvollziehbar. Doch wenn sie die Geiseln möglichst bald heimholen wollen, müssen sie zumindest einen Zugang zur Hamas finden und sie nicht nur als Feind definieren, den sie beseitigen wollen.

All das zeigt nicht nur, wie schwer es sein wird, erfolgreich über die Freilassung der israelischen Geiseln zu verhandeln. Es wird auch deutlich, wie weit die beiden Konfliktparteien davon entfernt sind, den Krieg zu beenden, und wie weit entfernt eine Lösung eines Konflikts mit möglicherweise einer Zweistaatenlösung ist.

Weder Israel noch die Hamas können ihr Kriegsziel ohne weiteres erreichen. Netanjahu will die Hamas vernichten. Das ist bereits schwer vorstellbar bezogen auf die Tausenden Bewaffneter in den langen und weit verzweigten Tunnel. Illusorisch wird es, wenn man die Hamas als Bewegung betrachtet, die sich eben nicht beseitigen lässt.

Die Hamas wiederum kann Israel nicht besiegen. Dazu ist sie zu schwach und die israelische Armee zu stark. Dennoch hat sich die Hamas auf dieses Ziel konzentriert, hat für viel Geld Tunnel gegraben und Waffen beschaft, statt das Leben der Menschen in Gaza lebenswerter zu machen.

Anders formuliert: Der Gedanke eines friedlichen Zusammenlebens hat weder bei den Israelis noch bei der Hamas viel Platz. Ähnliches gilt übrigens für die Fatah, die im Westjordanland das Sagen hat und sich zu Recht über die israelischen Siedler beklagt, die immer mehr des Landes okkupieren.

Wenn aber Israelis und Palästinensern es überhaupt schwerfällt, eine Waffenruhe zu denken, dann wird es für den US-geführten Westen umso aufwendiger, mit den beiden Konfliktparteien über eine Zweistaatenlösung zu sprechen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die EU-Staaten bisher keine gemeinsame politische Linie in diesem Krieg gefunden haben. Als Vermittler fallen sie deshalb vielleicht nicht aus. Aber ihr Gewicht ist nicht besonders groß.

Mehr Einfluss hat US-Präsident Joe Biden als Verbündeter Israels. Doch hat er sich wie die EU in den vergangenen Jahren nicht besonders darum bemüht, den Nahostkonflikt zu befrieden. Schlimmer ist, dass er sich schon bald auf seinen Wahlkampf für die Wiederwahl konzentrieren wird. Vieles spricht also dafür, dass keiner der Beteiligten wirklich daran interessiert ist, den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern dauerhaft zu bearbeiten, um ihn am Ende zu lösen. (Andreas Schwarzkopf)

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Feuerpause im Gaza-Krieg: Es herrscht fehlendes Vertrauen

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24.01.2024

Stand: 24.01.2024, 11:46 Uhr

Von: Andreas Schwarzkopf

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Es ist eine schöne Idee, die israelischen Geiseln gegen eine Feuerpause einzutauschen. Doch dafür spricht genauso wenig wie für eine baldige Zweistaatenlösung zwischen Israel und Palästinensern. Der Leitartikel.

Tel Aviv – Den israelischen Geiseln in der Gewalt der radikalislamistischen Hamas ist zu wünschen, dass sich der angestrebte Handel Feuerpause gegen die Entführten schnell realisieren lässt. Zu fürchten ist allerdings, dass der Deal in dem komplizierten Gestrüpp aus vielen internationalen Vermittelnden und den gegensätzlichen Interessen Israels und der Hamas zerrieben wird.

Zu einer schnellen Lösung ist Netanjahu jedenfalls nicht in der Lage, weil er dem Krieg gegen die Angreifer vom 7. Oktober immer Vorrang gegeben hat. Die Geiselfrage war zweitrangig. Erschwerend kommt hinzu, dass ihm und seiner Regierung........

© Frankfurter Rundschau


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