Stand: 08.03.2024, 17:44 Uhr

Von: Andreas Schwarzkopf

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Der US-Präsident überzeugt mit einer kämpferischen und energiegeladenen Rede. Diese Form braucht er für den Wahlkampfmarathon, wenn er am 5. November die Nase vorn haben will.

US-Präsident Joe Biden ist mit einer überraschend kämpferischen und energiegeladenen Rede zur Lage der Nation in den Wahlkampfmarathon gestartet. Damit er am 5. November die Nase vorn hat, wird er vor allem die Form seiner Ansprache konservieren und inhaltlich weiter punkten müssen. Dann kann er die politisch zerrissenen Demokraten einen, die Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit beseitigen und die für seine angestrebte Wiederwahl wenig hilfreiche Debatte über einen Ersatz für ihn beenden.

Biden selbst hat jedenfalls keinen Zweifel gelassen, dass er noch viel vorhat. Er ist spielerisch mit seinem Alter umgegangen, blieb pannenfrei und konterte republikanische Zwischenrufe geschickt. Zudem redete er druckvoll, und jeder Satz wirkte wie ein Ausrufezeichen.

So attackierte Biden seinen Herausforderer Donald Trump, ohne ihn beim Namen zu nennen. Gemessen am Beifall punktete Biden vor allem, als er seinen Vorgänger für dessen aus westlicher Sicht unverantwortliche Aufforderung kritisierte, der russische Präsident Wladimir Putin möge in Europa tun, was immer er dort tun wolle. Sleeping Joe kann also Attacke.

Er setzte auch gut vorbereitete Ausrufezeichen, als er beispielsweise nicht nur über den Krieg in Gaza sprach, sondern ankündigte, mit Hilfe eines künstlichen Hafens den notleidenden Menschen zu helfen. Das alleine wird die parteiinternen Kritikerinnen und Kritiker seiner Israel-Politik noch nicht umstimmen. Es zeigt aber, dass er verstanden hat und weiter stärker das Leid der Palästinenserinnen und Palästinenser lindern will – auch wenn der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu andere Prioritäten setzt.

Natürlich wissen Biden und sein Team, dass er nicht nur außenpolitisch, sondern vor allem innenpolitisch liefern muss. Und hier gilt die alte Regel: It’s the economy, stupid. Deshalb wies er zu Recht darauf hin, dass er von seinem Vorgänger ein Land in ökonomisch schlechtem Zustand übernommen hat und dies mit seinen milliardenschweren Investitionsprogrammen geändert hat. Hier haben Biden und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter noch viel Arbeit vor sich. Zu viele in den USA finden trotz des Aufschwungs und niedriger Arbeitslosigkeit, dass es ihnen seit Bidens Amtsantritt nicht besser geht.

Biden ergänzte aber auch weitere zentrale Punkte, die für die demokratische Wählerschaft wichtig sind. So will er dafür sorgen, dass Abtreibung im ganzen Land wieder rechtens wird. Er sprach sich für ein Steuersystem aus, bei dem Reiche etwas abgeben. Er will von oben nach unten umverteilen. Trumps Republikaner wollen hingegen Sozialleistungen für Arme kürzen, um Steuern für Besserverdienende senken zu können.

Bidens Rede lässt sich auch wie ein Programm für den Wahlkampf lesen. Den wird er diesmal allerdings nicht wie beim letzten Mal zu Corona-Zeiten vorwiegend via Bildschirm aus seinem Keller bestreiten. Doch bleibt er so agil und kämpferisch wie bei seiner Rede zur Nation, kann er nicht nur das Establishment seiner Partei begeistern, sondern auch die Wählerschaft.

Für einen Wahlsieg muss er das Potenzial der Demokraten ausschöpfen, Wechselwählerinnen und -wähler auf seine Seite ziehen und zudem einige der gemäßigten Republikaner für sich gewinnen, die bei den Vorwahlen für Nikki Haley votierten und schworen, Trump nicht unterstützen zu wollen. Dann kann er Trumps Schwäche nutzen.

Dem ehemaligen US-Präsidenten ist es bislang nicht gelungen, die Zahl seiner lauten Fans so zu erhöhen, dass er den Urnengang im November gewinnen kann. In Umfragen führt er zwar vor Biden. Das war aber schon oft so. Doch wenn es darauf ankam, ging es anders aus. Trump konnte bisher nur eine Wahl gewinnen. Doch bei den Zwischenwahlen und seiner Wiederwahl konnte er dies nicht wiederholen. Darauf sollte sich Biden aber nicht verlassen.

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Bidens erster Schritt

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08.03.2024

Stand: 08.03.2024, 17:44 Uhr

Von: Andreas Schwarzkopf

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Der US-Präsident überzeugt mit einer kämpferischen und energiegeladenen Rede. Diese Form braucht er für den Wahlkampfmarathon, wenn er am 5. November die Nase vorn haben will.

US-Präsident Joe Biden ist mit einer überraschend kämpferischen und energiegeladenen Rede zur Lage der Nation in den Wahlkampfmarathon gestartet. Damit er am 5. November die Nase vorn hat, wird er vor allem die Form seiner Ansprache konservieren und inhaltlich weiter punkten müssen. Dann kann er die politisch zerrissenen Demokraten einen, die Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit beseitigen und die für seine angestrebte Wiederwahl wenig hilfreiche Debatte über einen Ersatz für ihn beenden.

Biden selbst hat jedenfalls keinen Zweifel gelassen, dass er noch viel vorhat. Er ist spielerisch mit seinem Alter umgegangen, blieb pannenfrei und konterte republikanische Zwischenrufe geschickt. Zudem redete er........

© Frankfurter Rundschau


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