Einmal habe ich an einer Tankstelle am Stadtrand von Frankfurt zwei Kreppel bestellt. Sie sahen nicht so doll aus, aber es war Sonntagnachmittag und Kuchenzeit, und wir hatten Lust drauf. „Zwei Kreppel“, sagte ich also. „Zwei Kaffee?“, fragte die Verkäuferin zurück. „Zwei Kreppel“, wiederholte ich etwas deutlicher, ganz stolzer Zugezogener. Die Verkäuferin sah hilflos zu einem Kollegen rüber, der dazugekommen war. „Zwei Berliner, meint er“, sagte der Kollege, es war nicht so richtig klar, ob mehr zu ihr als zu mir, dann reichte er mir die Tüte mit den beiden Kreppeln über die Theke und beendete das Ganze mit: „Sagt ja jeder anders.“

Nein. Es sagt eben nicht jeder anders. In Frankfurt sagt man zum Berliner „Kreppel“, so wie man in Berlin zum Kreppel „Pfannkuchen“ sagt und in Bayern „Krapfen“. Und dort, in Bayern, hat jetzt jemand zu einem Foto von einem Leberkäse (Leberkas?), der als Serviervorschlag in einem Pfannkuchenkreppelberlinerkrapfen steckte, „Verbrechen“ gesagt. Weil das natürlich überhaupt nicht geht, denn so ein Leberkäse (Leberkas?) gehört in eine Semmel (Brötchen?).

All das passierte im Internet, aber inzwischen haben auch Lokalzeitungen den Fall (Quatsch?) aufgegriffen, weil es die Leute stark bewegt, vielleicht ist das aber nur die Unterzuckerung am Ende der Fastenzeit, und die Nerven liegen blank. Seitdem beschimpfen sich diese Leute jedenfalls gegenseitig, was man alles dem Leberkäse (Leberkas?) nicht antun dürfe. Senf drauftun, zum Beispiel.

Andere Menschen halten Leberkäse (Leberkas?) an sich schon für ein Verbrechen, egal ob er in einem Pfannkuchen oder in einem Krapfen steckt oder in einem Berliner. Was Berliner wiederum in sich hineinstecken, wenn sie in ihrer Stadt einen Leberkäse (Leberkas?) bestellen, ist mit dem Begriff „Verbrechen“ nicht angemessen zu beschreiben. Klebefleisch? Spachtelmasse? Soylent Green? Sagt ja jeder anders.

Als es noch einen Stand im Berliner Bahnhof Friedrichstraße gab, stammte der Leberkäse laut gut unterrichteten Quellen von einem Metzger namens Damisch aus Bielefeld (Bielefeld?), über dessen Quellen für seinen Leberkäse man vielleicht auch nicht so gut unterrichtet werden möchte.

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Das Geheimnis eines guten Leberkäses ist es jedenfalls, da sind sich dann alle ausnahmsweise einig: dass er nicht so lang herumliegt. Sonst kommt man noch auf dumme Gedanken. Und steckt ihn in zwei Kaffee.

QOSHE - Das Leberkäse-Massaker - Tobias Rüther
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Das Leberkäse-Massaker

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30.03.2024

Einmal habe ich an einer Tankstelle am Stadtrand von Frankfurt zwei Kreppel bestellt. Sie sahen nicht so doll aus, aber es war Sonntagnachmittag und Kuchenzeit, und wir hatten Lust drauf. „Zwei Kreppel“, sagte ich also. „Zwei Kaffee?“, fragte die Verkäuferin zurück. „Zwei Kreppel“, wiederholte ich etwas deutlicher, ganz stolzer Zugezogener. Die Verkäuferin sah hilflos zu einem Kollegen rüber, der dazugekommen war. „Zwei Berliner, meint er“, sagte der Kollege, es war nicht so richtig klar, ob mehr zu ihr als zu mir, dann reichte er mir die Tüte mit den beiden Kreppeln über die Theke und beendete das Ganze mit: „Sagt ja jeder........

© Frankfurter Allgemeine


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