Die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs steht auf tönernen Füßen. Das vorhandene Geld reicht vermutlich nicht einmal, um das derzeitige Angebot längerfristig zu finanzieren, von mehr Qualität ganz zu schweigen. Das Deutschlandticket wird als Erfolgsmodell gefeiert – ob es auch im nächsten Jahr noch zum Einführungspreis von 49 Euro verkauft werden kann, ist allerdings ungewiss. Gleichzeitig droht das Erreichen der Klimaschutzziele in weite Ferne zu rücken, wenn beim öffentlichen Personennahverkehr nur noch der Status quo garantiert werden kann.

Kein Wunder, dass angesichts dieses Dilemmas so mancher Kommunalpolitiker auf dumme Gedanken kommt. In Frankfurt etwa macht sich Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert (Die Grünen) für einen Arbeitgeberbeitrag zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs stark. In einer von der Stadtverwaltung in Auftrag gegebenen Studie wird eine Abgabe in Höhe von zwei Euro je Mitarbeiter und Woche vorgeschlagen. Die Kommune könnte sich ersten Berechnungen zufolge über gut 65 Millionen Euro zusätzlich freuen.

Doch die Freude wäre womöglich von kurzer Dauer, weil vielen ohnehin unter finanziellem Druck stehenden Unternehmen eine zusätzliche Belastung nicht zuzumuten ist. Über die vom Ertrag abhängige Gewerbesteuer sind Unternehmen und Betriebe schon jetzt maßgeblich an der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs beteiligt. Eine Abgabe müssten hingegen alle Gewerbetreibenden entrichten, unabhängig von ihrem ökonomischen Erfolg. Derart fehlgeleitete Ansätze zur Finanzierung von Bus und Bahn verbieten sich von selbst.

Eine wegweisende, solide und nachvollziehbare Regelung sähe anders aus. Wenn Bund und Länder ihr selbst erklärtes Ziel einer Mobilitätswende – mit einem erhöhten Takt von Bussen und Bahnen, mehr Pünktlichkeit, mehr Sicherheit und mehr Sauberkeit – ernst nehmen, müssen sie das dafür nötige Geld aus Steuermitteln zur Verfügung stellen, und zwar möglichst aus bereits vorhandenen. Prioritäten setzen und gezielt fördern, heißt hier mehr denn je das Gebot der Stunde. Ansonsten steht weit mehr als die Finanzierung des Deutschlandtickets auf dem Spiel.

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Unternehmen nicht noch mehr belasten

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21.11.2023

Die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs steht auf tönernen Füßen. Das vorhandene Geld reicht vermutlich nicht einmal, um das derzeitige Angebot längerfristig zu finanzieren, von mehr Qualität ganz zu schweigen. Das Deutschlandticket wird als Erfolgsmodell gefeiert – ob es auch im nächsten Jahr noch zum Einführungspreis von 49 Euro verkauft werden kann, ist allerdings ungewiss. Gleichzeitig droht das Erreichen der Klimaschutzziele in weite Ferne zu rücken, wenn beim öffentlichen Personennahverkehr nur noch der Status quo garantiert werden kann.

Kein Wunder, dass angesichts dieses Dilemmas so mancher Kommunalpolitiker auf dumme Gedanken kommt. In Frankfurt etwa macht sich........

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