Heimat, was ist das? Lange Zeit war der Begriff kontaminiert, nicht zuletzt, weil damit Zuwanderer ausgegrenzt wurden, doch in Zeiten der Globalisierung wächst das Bedürfnis nach Nähe und Vertrautheit. „Je schneller sich die Welt um uns dreht, desto größer wird die Sehnsucht nach Heimat“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit im Jahr 2017.

Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Hessen taucht der Begriff Heimat auf rund 200 Seiten gleich 33 Mal auf. Nur folgerichtig also, dass es seit Antritt der neuen schwarz-roten Koalition ein Heimatministerium gibt. Die Idee stammt vom früheren bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), der im Jahr 2014 als erster die Schaffung eines Heimatministeriums verkündete. Drei Jahre später zog das ebenfalls unionsregierte Nordrhein-Westfalen nach, wiederum ein Jahr darauf folgte Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die die Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums um „Heimat“ ergänzte.

Und nun also Hessen. Der CDU-Politiker Ingmar Jung ist eine Art hessischer Superminister der zweiten Reihe, zuständig für Landwirtschaft und Umwelt, für Weinbau, Forsten und Jagd – und eben für Heimat. Ein Landesminister im doppelten Wortsinn also, mit einem heimeligen Ressort. Aber was soll er tun? Den Hessentag retten? Immigranten mit landestypischen Spezialitäten wie Ahle Worscht, Ebbelwei, Grie Soß oder Handkäs mit Musik vertraut machen? Oder die Vielzahl der Dialekte am Leben erhalten, wie Jung in einer seiner ersten Mitteilungen ankündigte?

Mehr zum Thema

1/

Artenschutz und Biodiversität : Hessische CDU und Grüne streiten über Naturwälder

Windkraft in Bad Orb : Kurort wehrt sich gegen den Bau von Rotoren

Landeshauptstadt Wiesbaden : Nawalnyj-Platz neben russischer Kirche vorgeschlagen

Letztlich geht es unter einem wenig konkreten Leitmotiv darum, strukturschwache Regionen auf Vordermann zu bringen. Wenn Jung seine Aufgabe ernst nimmt, wird er in diesem Sinne Anreize schaffen, Förderprogramme auflegen, kurz gesagt: Geld zur Verfügung stellen, um das sich abgehängte Gemeinden, Städte und Kreise bewerben können. Auch ein „Haus der hessischen Geschichte“ planen CDU und SPD, und Kulturstätten von überregionaler Bedeutung sollen mit einem eigenen „Heimatbudget“ unterstützt werden. Alles keine dummen Ideen.

Der neue Heimatminister steht unter erheblichem Rechtfertigungsdruck, aber er verdient auch eine ehrliche Chance, seinem Ressort Ehre zu machen. Also: Abwarten und Ebbelwei trinken. Oder, wie der Nordhesse sagen würde: „‘s wird sich usswiesn.“

QOSHE - Hessens Heimatminister Ingmar Jung muss liefern - Ralf Euler
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Hessens Heimatminister Ingmar Jung muss liefern

13 0
06.03.2024

Heimat, was ist das? Lange Zeit war der Begriff kontaminiert, nicht zuletzt, weil damit Zuwanderer ausgegrenzt wurden, doch in Zeiten der Globalisierung wächst das Bedürfnis nach Nähe und Vertrautheit. „Je schneller sich die Welt um uns dreht, desto größer wird die Sehnsucht nach Heimat“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit im Jahr 2017.

Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Hessen taucht der Begriff Heimat auf rund 200 Seiten gleich 33 Mal auf. Nur folgerichtig also, dass es seit Antritt der neuen schwarz-roten Koalition ein Heimatministerium gibt. Die Idee stammt vom........

© Frankfurter Allgemeine


Get it on Google Play