An Ostern gegen Gewalt, Un­terdrückung und Ungerechtigkeit auf die Straße zu gehen ähnelt gerade in kriegerischen Zeiten wie diesen dem verzweifelten Pfeifen eines Kindes angesichts eines heraufziehenden Orkans. Wer vor dem Hintergrund der Gewalt im Jemen, in der Ukraine, in Haiti, in Syrien, Israel, dem Gazastreifen und vielerorts sonst im Namen von Bertha von Suttner „Die Waffen nieder“ skandiert, wirkt wie ein Wunderheiler, der meint, man könne ein Krebsgeschwür einfach wegreden. Idealismus oder Verblendung?

Extrem bedauerlich ist jedenfalls, dass es vielen in der Friedensbewegung und darüber hinaus schwerfällt, beim russischen Angriffskrieg in der Ukraine den einzig Verantwortlichen als solchen beim Namen zu nennen. Den Konflikt dort einfach „einfrieren“? Wie schön wäre es, wenn man all die russischen Soldaten, die Putin in den Krieg gegen die Ukraine gehetzt hat, einfach einfrieren könnte. Natürlich nur für eine gewisse Zeit; wenn der russische Diktator sich geschlagen gäbe, würde man sie wieder auftauen, und alle hätten einander für immer und ewig lieb.

Und doch: Bei aller Weltfremdheit und Verblendung der Ostermarschierer ist es alles andere als verwerflich, für Frieden und Völkerverständigung mobil zu machen. Das Setzen von Zeichen kann dazu beitragen, Bewusstsein zu bilden, Diskussionen an­zuregen und ein Umfeld zu schaffen, das Veränderungen begünstigt, auch wenn diese Veränderungen erst in der Zukunft eintreten. Nicht umsonst wird mit dem Osterfest der Auferstehung eines Mannes gedacht, der vor einer ihm aufgezwungenen und schier unerträglichen Verantwortung an sich selbst zweifelte und fast verzweifelte – nur um am Ende dennoch über seine Zweifler zu tri­umphieren.

Für einige Demonstranten, die am Wochenende bei den Ostermärschen ein Beispiel gaben und ihre Stimme erhoben, mag der Wert ihres Einsatzes nicht im endgültigen Ergebnis, sondern in persönlicher Erfüllung und Zufriedenheit liegen. Getragen von dem Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun oder einem höheren Zweck zu dienen, sprich: einfach das zu machen, was man für richtig hält, unabhängig von den äußeren Umständen. Auch das ist nicht verwerflich.

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QOSHE - Die Waffen nieder – irgendwann - Ralf Euler
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Die Waffen nieder – irgendwann

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02.04.2024

An Ostern gegen Gewalt, Un­terdrückung und Ungerechtigkeit auf die Straße zu gehen ähnelt gerade in kriegerischen Zeiten wie diesen dem verzweifelten Pfeifen eines Kindes angesichts eines heraufziehenden Orkans. Wer vor dem Hintergrund der Gewalt im Jemen, in der Ukraine, in Haiti, in Syrien, Israel, dem Gazastreifen und vielerorts sonst im Namen von Bertha von Suttner „Die Waffen nieder“ skandiert, wirkt wie ein Wunderheiler, der meint, man könne ein Krebsgeschwür einfach wegreden. Idealismus oder Verblendung?

Extrem bedauerlich ist jedenfalls, dass es vielen in der Friedensbewegung und darüber hinaus schwerfällt, beim russischen Angriffskrieg in der Ukraine den einzig Verantwortlichen als solchen........

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