Keine Frage, im Frankfurter Bahnhofsviertel sind zu viele bewaffnete Menschen unterwegs, und zwar bei Weitem nicht nur Drogenhändler, Zuhälter und sonstige Kriminelle. „Man muss sich schließlich selbst schützen“, argumentieren vor allem Frauen, die das Quartier mit einer Dose Pfefferspray oder Reizgas in der Jackentasche auf dem Weg zur Arbeit, zum Zug oder einer Bar oder einem Restaurant durchqueren. Viele berichten, dass sie schon massiv bedrängt worden seien, auch Männer fühlen sich bedroht und äußern ein gewisses Verständnis dafür, dass hier wohl selbst der ein oder andere Normalbürger ein Messer bei sich trage. Immer mehr „Normalos“ bleiben allerdings lieber ganz draußen. Wer kann, meidet das von Rauschgift, Prostitution, Schmutz und Gefahr für Leib und Leben geprägte Viertel – eine Entwicklung, die jeden dem Gemeinwohl verpflichteten Kommunalpolitiker mit Sorge erfüllen sollte.

In den vergangenen Jahren hat die Zahl der mit Waffen begangenen Delikte rund um den Frankfurter Hauptbahnhof rasant zugenommen. In diesem kleinen Bereich gab es im vergangenen Jahr fast 10.000 Straftaten, das sind rund 2000 mehr als 2021; nur 2017 waren es im Zehnjahresvergleich noch mehr. Allein fast 1100 Körperverletzungen und 342 Fälle von Straßenraub wurden in dem Quartier regis­triert. Etwa die Hälfte aller Raubstraftaten in Frankfurt spielt sich im Bahnhofsviertel ab. Die Aufklärungsquote der Kriminalität in dem Gebiet sank indes von 63,1 Prozent im Jahr 2021 auf 55,6 Prozent im vergangenen Jahr.

Dennoch hatte es lange den Anschein, als würde sich im Rathaus Römer kaum jemand ernsthaft Gedanken über den schleichenden Niedergang des Bahnhofsviertels machen. Jetzt, vielleicht gerade noch rechtzeitig, tut sich endlich etwas. Eine Waffenverbotszone zwischen dem Hauptbahnhof und der Weserstraße sowie der Mainzer Landstraße und der Gutleutstraße soll in dem reichlich heruntergekommenen Quartier einen Neuanfang einläuten. Seit dem 1. November gilt: Zwischen 20 und 5 Uhr sind dort neben allen bereits durch geltende Gesetze verbotenen Waffen auch Messer verboten, die eine Klingenlänge von vier bis zwölf Zentimetern haben. Wer mit derartigen Waffen ertappt wird, dem werden sie dauerhaft abgenommen. Bisher konnte die Polizei solche Waffen nur vorübergehend sicherstellen.

Eine Waffenverbotszone ist ein räumlich begrenzter Bereich, in dem das Führen von Waffen und waffenähnlichen Gegenständen verboten ist. Die Polizei kann dort verdachtsunabhängige Kon­trollen durchführen und Waffen ohne großen Verwaltungsakt beschlagnahmen sowie Bußgelder ver­hän­gen. Hier brauchen die Sicherheitskräfte keinen besonderen Grund mehr, um Menschen durchsuchen zu dürfen. Wer in der Frankfurter Verbotszone fortan mit einem Messer erwischt wird, zahlt 500 Euro Strafe – und zwar mindestens. Für Wiederholungstäter wird es noch teurer. Sie müssen bis zu 10.000 Euro zahlen. Erlaubt bleibt etwa das oft zur Selbstverteidigung eingesetzte und frei verkäufliche Tierabwehrspray.

In Köln und Düsseldorf gilt auf den Partymeilen schon seit zwei Jahren Waffenverbot. In der Domstadt hat die Polizei in der Waffenverbotszone nach eigenen Angaben allein in den ersten zehn Monaten mehr als 7700 Personen kon­trolliert und dabei 116 potentiell gefährliche Gegenstände, darunter 48 Messer und 18 andere Objekte wie Reizgas und Schlagstöcke, eingezogen. In Düsseldorf wurden anfangs bei 8000 Kontrollen 210 Waffen sichergestellt. In Wiesbaden sehen die Stadt und die Landespolizei die 2019 eingeführte Waffenverbotszone in der City aus sicherheitspolitischer Sicht als Erfolg. Bei den Kontrollen seien erhebliche Funde gemacht worden; im vergangenen Jahr bei insgesamt 141 Polizeieinsätzen etwa 45 Waffen, meist Messer. Viele auf diese Weise aus dem Verkehr gezogenen Stichwerkzeuge sind allerdings nicht nur in den Verbotszonen untersagt, sondern generell in der Öffentlichkeit.

QOSHE - Die Waffen nieder! - Ralf Euler
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Die Waffen nieder!

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06.11.2023

Keine Frage, im Frankfurter Bahnhofsviertel sind zu viele bewaffnete Menschen unterwegs, und zwar bei Weitem nicht nur Drogenhändler, Zuhälter und sonstige Kriminelle. „Man muss sich schließlich selbst schützen“, argumentieren vor allem Frauen, die das Quartier mit einer Dose Pfefferspray oder Reizgas in der Jackentasche auf dem Weg zur Arbeit, zum Zug oder einer Bar oder einem Restaurant durchqueren. Viele berichten, dass sie schon massiv bedrängt worden seien, auch Männer fühlen sich bedroht und äußern ein gewisses Verständnis dafür, dass hier wohl selbst der ein oder andere Normalbürger ein Messer bei sich trage. Immer mehr „Normalos“ bleiben allerdings lieber ganz draußen. Wer kann, meidet das von Rauschgift, Prostitution, Schmutz und Gefahr für Leib und Leben geprägte Viertel – eine Entwicklung, die jeden dem Gemeinwohl verpflichteten Kommunalpolitiker mit Sorge erfüllen sollte.

In den vergangenen Jahren hat die Zahl der mit Waffen........

© Frankfurter Allgemeine


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