Angenommen, China wäre eine Demokratie und es stünde eine Präsidentenwahl bevor. Weiter angenommen, es kandidierten zwei Politiker, von denen einer eine auf Unabhängigkeit von Nachbarstaaten wie Japan gerichtete Politik propagierte, der andere dagegen für Annäherung an Tokio plädierte.

Und wenn man dann noch annimmt, die Regierung in Tokio ließe während des Wahlkampfs Militärflugzeuge bis hart an die Grenzen des chinesischen Luftraum operieren und gäbe auch noch ihre Ansicht zum Besten, ein Sieg des Unabhängigkeitskandidaten sei eine „ernste Gefahr“ für China. Dann würde sich ganz China, mit Recht, diese unverfrorene Einmischung in einen demokratischen Prozess verbitten.

Im wirklichen Leben ist China keine Demokratie, Taiwan hingegen sehr wohl. Und in Taiwan wird am Wochenende gewählt. China maßt sich an, das Wahlvolk zu belehren, wie es zu wählen hat. Mit einer solchen Brachialstrategie ist Peking bei den „Landsleuten“ in Taiwan in der Vergangenheit mehrmals gescheitert. Das hält aber die auf angebliche „Wiedervereinigung“ fixierte Führung um Xi Jinping nicht davon ab, es immer wieder zu versuchen.

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Dabei ist es doch eigentlich ganz einfach. Die taiwanischen Wähler entscheiden souverän darüber, wer sie künftig regiert. Dass Peking am Ergebnis sehr interessiert ist, ist normal. Einmischung ist es nicht.

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Unverfrorene Einmischung durch China

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13.01.2024

Angenommen, China wäre eine Demokratie und es stünde eine Präsidentenwahl bevor. Weiter angenommen, es kandidierten zwei Politiker, von denen einer eine auf Unabhängigkeit von Nachbarstaaten wie Japan gerichtete Politik propagierte, der andere dagegen für Annäherung an Tokio plädierte.

Und wenn man dann noch annimmt, die Regierung in Tokio ließe während des Wahlkampfs Militärflugzeuge bis........

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