Das politische Erbe Boris Johnsons, an dem der britische Premierminister Rishi Sunak ohnehin schwer zu tragen hat, ist noch schwieriger geworden. Einer der größten Knalleffekte der an solchen nicht eben armen Amtszeit Johnsons war die Vereinbarung mit Ruanda. Großbritannien wollte Asylbewerber in das afrikanische Land ausfliegen. Dort sollten sie um Schutz nachsuchen.

Im Gegensatz zu den in Deutschland ventilierten Plänen ging es hier nie darum, nur die Verfahren auszulagern, um die als schutzbedürftig Anerkannten später nach Europa zu holen. Vielmehr wollte sich London die Migranten völlig vom Hals halten.

Diese Politik war von vornherein widersprüchlich. Einerseits wurde die britische Regierung nicht müde zu betonen, in Ruanda sei die Einhaltung aller Menschenrechte gewährleistet. Außerdem sei für die Unterbringung der Asylbewerber dank britischer Millionen bestens gesorgt. Auf der anderen Seite argumentierte Johnson, sekundiert unter anderen von der gerade als Innenministerin entlassenen Suella Braverman, die Aussicht auf einen Flug nach Ostafrika werde die illegale Migration über den Ärmelkanal stoppen.

Die für viele Briten verheißungsvolle Prophezeiung ist nicht eingetreten. Vielmehr hat die Zahl der Mi­granten deutlich zugenommen. Dem ersten Argument hat das Oberste Gericht jetzt die Grundlage entzogen. Zwar hat sich die ruandische Regierung schon gegen das Urteil verwahrt, Asylverfahren in ihrem Land genügten nicht rechtsstaatlichen Standards.

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Aber allein die Tatsache, dass das Urteil einstimmig erging, zeigt, dass das Vorhaben der britischen Regierung nicht durchdacht war, sondern auf kurzfristige Wirkung, auf das Gefühl der Wählerschaft setzte. Die dreistellige Millionensumme, die London bis jetzt in das Ruanda-Projekt investiert hat, ist verloren. Das wird die Regierung verschmerzen. Der komplette Schiffbruch ihrer Migrationspolitik dagegen untergräbt das Vertrauen in Sunaks Kabinett weiter.

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Johnsons Erbe, Sunaks Problem

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15.11.2023

Das politische Erbe Boris Johnsons, an dem der britische Premierminister Rishi Sunak ohnehin schwer zu tragen hat, ist noch schwieriger geworden. Einer der größten Knalleffekte der an solchen nicht eben armen Amtszeit Johnsons war die Vereinbarung mit Ruanda. Großbritannien wollte Asylbewerber in das afrikanische Land ausfliegen. Dort sollten sie um Schutz nachsuchen.

Im Gegensatz zu den in Deutschland ventilierten Plänen ging es hier nie darum, nur die Verfahren auszulagern, um die als schutzbedürftig Anerkannten später nach Europa zu........

© Frankfurter Allgemeine


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