Die Konservative Partei stellt seit 2010 in London den Premierminister. Lange Regierungszeiten einer Partei führen oft zu personeller Auszehrung. Die Auswahl an herausragenden politischen Talenten wird von Jahr zu Jahr geringer, weil alle schon irgend etwas waren, und das mehr oder weniger erfolgreich. Wenn ein Premierminister, wie jetzt Rishi Sunak, allerdings bei der Auswahl seiner Minister auf einen Vorgänger im Amt des Regierungschefs zurückgreifen muss, ist die Lage der führenden Partei mit dem Wort „verzweifelt“ wahrscheinlich am treffendsten beschrieben.

Zwar ist die Berufung eines ehemaligen Premierministers in das Amt des Außenministers unter einem seiner Nachfolger nicht völlig ohne historisches Vorbild. Aber als Edward Heath 1970 Alec Douglas-Home berief, war damit erstens ein Regierungswechsel von Labour zu den Konservativen verbunden. Zweitens war Home einige Jahre zuvor nur so etwas wie der Nachlassverwalter einer Regierung gewesen, die ihre Dynamik längst verloren hatte. Home verließ politisch relativ unbeschädigt die Downing Street.

Das kann man von David Cameron nicht sagen. Er regierte sechs Jahre lang und verkalkulierte sich mit der Zulassung der Volksabstimmung über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union gewaltig. Sein Rücktritt nach dem Votum für den Brexit war nur konsequent. Wie ernst es um die Konservative Partei steht, zeigt sich allein schon darin, dass Sunak für seinen neuen Außenminister, der kein politisches Mandat mehr hat, eigens einen Sitz im Oberhaus schaffen musste, um ihn überhaupt berufen zu können.

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Dieses Manöver werden all diejenigen in der Partei, die sich für minis­trabel halten, als schallende Ohrfeige empfinden. Mit der – freilich folgerichtigen – Entlassung Suella Bravermans als Innenministerin hat sich Sunak darüber hinaus den rechten Parteiflügel zum Feind gemacht. Es bleibt der Eindruck einer Regierung, die sich mit letzter Kraft der absehbaren Abwahl entgegenschleppt.

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Cameron ist Sunaks letztes Aufgebot

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13.11.2023

Die Konservative Partei stellt seit 2010 in London den Premierminister. Lange Regierungszeiten einer Partei führen oft zu personeller Auszehrung. Die Auswahl an herausragenden politischen Talenten wird von Jahr zu Jahr geringer, weil alle schon irgend etwas waren, und das mehr oder weniger erfolgreich. Wenn ein Premierminister, wie jetzt Rishi Sunak, allerdings bei der Auswahl seiner Minister auf einen Vorgänger im Amt des Regierungschefs zurückgreifen muss, ist die Lage der führenden Partei mit dem Wort „verzweifelt“ wahrscheinlich am........

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