Die Einigung der Wiesbadener Linkskooperation auf einen am Ende immer noch hochdefizitären Haushalt ist Ausdruck einer bedenklichen Klientelpolitik in der Landeshauptstadt. Das Viererbündnis ist vor den Protesten der Sozialverbände und den Mahnungen der Kulturschaffenden eingeknickt und bürdet stattdessen der Allgemeinheit und der Wirtschaft vermeidbare Kosten auf.

Die Erhöhung der Gewerbesteuer ist ein völlig falsches Signal an die in Wiesbaden ansässigen Unternehmen. Wenn es bei einem Haushalt mit einem Volumen von 1,5 Milliarden Euro nicht gelingt, vier Millionen zur Vermeidung dieser Steuererhöhung einzusparen, dann sind Zweifel am finanzpolitischen Sachverstand der Verantwortlichen angebracht. Die Erhöhung der Kosten beim Wasserbezug trifft vor allem die finanziell Schwächeren, die kein Bürger- und Wohngeld erhalten.

Die dürftigen, aber umso kritikwürdigeren Ergebnisse der Haushaltsaufstellung durch das Bündnis zeigen ein ungeahntes Kräfteverhältnis. Es scheint, dass sich vor allem SPD und Linke mit ihren Vorstellungen durchgesetzt haben, während die Grünen als stärkste Kraft dem Haushalt keine Prägung geben konnten. Beispielhaft dafür steht Eswe Verkehr, das aus heiterem Himmel 17 Millionen Euro durch Einsparungen zur Rettung des Etats beisteuern soll. Dabei war das Busunternehmen noch vor wenigen Wochen heftiger Schelte und starkem Druck aus der Politik ausgesetzt, den Fahrplan endlich wieder auszuweiten und acht Millionen jährlich für die Fremdvergabe einiger Linien an private Dienstleister auszugeben.

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Nun finden die Grünen nichts dabei, dass Buslinien ausgedünnt werden sollen, unter anderem um kostenlose Menstruationsprodukte in Geflüchtetenunterkünften und Schulen anzubieten. Der Konsens der Mehrheitsfraktionen weist viele Unwägbarkeiten und noch mehr Unwucht auf. Weder werden die Lasten gerecht in der Stadtgesellschaft verteilt, noch ist die Kraft zu schmerz­lichen, aber notwendigen Einsparungen erkennbar. Der Etatentwurf ist eine Mischung aus Wunschdenken und einem trotzigen „Augen zu und durch“. Ein Rezept, wie die Stadt durch finanziell schwierige Zeiten kommen kann, sieht anders aus.

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Wiesbadener Bündnis baut Luftschlösser

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17.11.2023

Die Einigung der Wiesbadener Linkskooperation auf einen am Ende immer noch hochdefizitären Haushalt ist Ausdruck einer bedenklichen Klientelpolitik in der Landeshauptstadt. Das Viererbündnis ist vor den Protesten der Sozialverbände und den Mahnungen der Kulturschaffenden eingeknickt und bürdet stattdessen der Allgemeinheit und der Wirtschaft vermeidbare Kosten auf.

Die Erhöhung der Gewerbesteuer ist ein völlig falsches Signal an die in Wiesbaden ansässigen Unternehmen. Wenn es bei einem Haushalt mit einem Volumen von 1,5 Milliarden Euro nicht gelingt, vier Millionen zur Vermeidung........

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