Ist es nur die Ruhe vor dem Sturm? Wenn in der zweiten Jahreshälfte 2026 der Zugverkehr auf der rechtsrheinischen Bahnstrecke ruht, weil die stark frequentierte Strecke mit großem Aufwand ertüchtigt wird, werden die Anwohner ausnahmsweise bei geöffneten Fenstern schlafen können. Wie es nach diesen fünf Monaten weitergeht, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Die Deutsche Bahn sendet im Wissen um die Empfindlichkeiten im Rheintal beruhigende Signale. Es gehe ihr um die Wiedergewinnung des „Normalzustands“ der Strecke, um mehr Zuverlässigkeit und Sicherheit, während gleichzeitig konsequent in mehr Lärmschutz investiert werde.

Das aber ist nur die halbe Wahrheit. Die Sorgen vieler Anwohner und der Bürgerinitiativen sind berechtigt. Denn die Strecke wird technisch so aufgerüstet, dass auf konventionelle Signalanlagen verzichtet werden kann. Im Ergebnis wird die Trassenkapazität deutlich erhöht, weil mehr Züge in kürzeren Abständen hintereinander fahren können.

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Ein Schweizer Bahnexperte drückte das kürzlich im Wiesbadener Mobilitätsausschuss vereinfacht so aus: Das Limit beim Zug-Abstand ist künftig der maximale Bremsweg des vorausfahrenden Zuges. Was das für die Schließzeiten der Bahnschranken wie in Rüdesheim bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen. Zudem sind die Ziele der Bahn klar formuliert: Eine Verdoppelung der Fahrgäste bis 2030 und eine Steigerung des Marktanteils im Güterverkehr auf 25 Prozent.

Die Folgen müssen den Bürgern im Rheintal bewusst sein. Der ersehnte Bau einer Alternativstrecke für den Güterverkehr außerhalb des Rheintals wird vom Bund erst dann ernsthaft in Angriff genommen, wenn die Kapazität der Bestandsstrecke absehbar an ihre Grenze kommt. Genau diese Grenze verschiebt die Bahn mit ihrer Sanierung, die eine Leistungssteigerung ist, in die ferne Zukunft. Das darf für das UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal noch nicht das letzte Wort gewesen sein.

QOSHE - Die halbe Wahrheit der Bahn - Oliver Bock
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Die halbe Wahrheit der Bahn

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09.03.2024

Ist es nur die Ruhe vor dem Sturm? Wenn in der zweiten Jahreshälfte 2026 der Zugverkehr auf der rechtsrheinischen Bahnstrecke ruht, weil die stark frequentierte Strecke mit großem Aufwand ertüchtigt wird, werden die Anwohner ausnahmsweise bei geöffneten Fenstern schlafen können. Wie es nach diesen fünf Monaten weitergeht, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Die Deutsche Bahn sendet im Wissen um die Empfindlichkeiten im Rheintal beruhigende Signale. Es gehe ihr um die Wiedergewinnung des „Normalzustands“ der Strecke, um mehr........

© Frankfurter Allgemeine


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