Sind Sie dafür, dass Windkraftanlagen innerhalb der ausgewiesenen Vorrangflächen auf den gemeindeeigenen Flächen der Stadt errichtet werden? Die Eltviller Bürger haben darauf am Sonntag eine unerwartet klare Antwort gegeben. In der Nachbarstadt Oestrich-Winkel hingegen darf die fast wortgleiche Frage den Bürgern gar nicht erst vorgelegt werden.

Das ist der juristisch bedeutsame, der Öffentlichkeit aber schwer zu erklärende Unterschied zwischen einem Vertreterbegehren und einem Bürgerbegehren. Beim Vertreterbegehren sind die juristischen Anforderungen geringer, doch ist eine Zweidrittelmehrheit im Stadtparlament nötig. Das klassische Bürgerbegehren mit vorheriger Unterschriftensammlung ist hingegen eine Spielwiese für juristische Feinschmecker.

An einer als unzulässig erachteten Fragestellung und Begründung sind in Hessen schon viele Bürgerbegehren gescheitert. Jeder Bürger, der auf diesem Weg ein Anliegen durchsetzen oder einen Beschluss der Stadtverordneten korrigieren will, tut gut daran, sich versierten verwaltungsrechtlichen Sachverstands zu versichern. Denn die juristischen Fallstricke sind kaum übersehbar.

Sie sind das stärkste Pfund der Windkraftgegner, die in Oestrich-Winkel aus durchsichtigen Gründen eine Abstimmung wenn nicht verhindern, so doch zumindest erschweren wollen. Der Frust derer, die sich vergeblich für ein Bürgerbegehren engagiert haben, ist naturgemäß groß.

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Der Gesetzgeber täte gut daran, die Hürden zu senken. Auch eine Art Clearingstelle im Innenministerium wäre denkbar, um Bürgerbegehren schon vor der Unterschriftensammlung auf offensichtliche juristische Schwachstellen abzuklopfen.

Eltville ist erfreulicherweise einen anderen, bürgerfreundlichen Weg gegangen, um eine bedeutsame Frage den Bürgern zur Entscheidung vorzulegen. Die nun getroffene Entscheidung mag nicht jedem gefallen. Sie war aber im Hinblick auf die Wahlbeteiligung und das Ergebnis so eindeutig, dass die Politik nun eine klare Vorgabe hat, wie es weitergehen soll. Bis sich in dem vor drei Jahren als „nachhaltigste Kleinstadt“ prämierten Eltville die ersten Rotoren drehen, dürfen allerdings mindestens fünf weitere Jahre vergehen.

QOSHE - Bürgervoten mit Hindernissen - Oliver Bock
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Bürgervoten mit Hindernissen

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27.02.2024

Sind Sie dafür, dass Windkraftanlagen innerhalb der ausgewiesenen Vorrangflächen auf den gemeindeeigenen Flächen der Stadt errichtet werden? Die Eltviller Bürger haben darauf am Sonntag eine unerwartet klare Antwort gegeben. In der Nachbarstadt Oestrich-Winkel hingegen darf die fast wortgleiche Frage den Bürgern gar nicht erst vorgelegt werden.

Das ist der juristisch bedeutsame, der Öffentlichkeit aber schwer zu erklärende Unterschied zwischen einem Vertreterbegehren und einem Bürgerbegehren. Beim Vertreterbegehren sind die juristischen Anforderungen geringer, doch ist eine Zweidrittelmehrheit im........

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