Der Austritt des Stadtverordneten Ronny Maritzen aus der Grünen-Rathausfraktion in Wiesbaden kommt spät, aber nicht unerwartet. Konsequenterweise hätte der Austritt des von Anfang an vehementen Ostfeld-Kritikers schon viel früher erfolgen müssen. Denn das Ostfeld ist nicht irgendein Projekt neben vielen anderen Vorhaben der Stadtentwicklung. Es steht exem­plarisch für die Richtung, in die sich Wiesbaden in den nächsten Jahrzehnten entwickeln will. Wer das für einen Irrweg hält, der darf sich nicht im Stadtparlament kleinlaut geben und außerhalb zu den Wortführern des Widerstands zählen.

Der Oberbürgermeister sieht in dem 27. Wiesbadener Stadtteil eine Antwort auf die seiner Überzeugung nach drängendste soziale Frage dieser Zeit, nämlich die nach bezahlbarem Wohnraum. Die Kritiker des Ostfelds halten unter dem Primat des Klimaschutzes eine große Trabantenstadt anstelle landwirtschaftlich genutzter Flächen nicht für vertretbar. Ob die Ostfeld-Planer den Konflikt zwischen Klimaschutz und Wohnungsbau auflösen können, ist noch keineswegs ausgemacht. Auch die Abwägung der angerufenen Gerichte steht noch aus.

Dass Grüne, SPD, Linke und Volt das Ostfeld in ihrer Kooperationsvereinbarung ausgeklammert haben in der Hoffnung, dass politische Entscheidungen dazu in dieser Wahlperiode nicht mehr gefasst werden müssen, war bestenfalls naiv. Das Ostfeld ist in der Wiesbadener Stadtpolitik allgegenwärtig. Egal ob es um den neuen Flächennutzungsplan oder den künftigen Nahverkehrsplan geht. Dabei ist die Anbindung des neuen Stadtteils für bis zu 12.000 Bürger über die Schiene noch eine offene Frage, die in diesem Jahr endlich beantwortet werden sollte.

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Ob sich das durch den Fraktionsaustritt nunmehr geschwächte Linksbündnis bis zur nächsten Kommunalwahl durchwursteln kann, ist fraglich. Der Haushalt für 2025 wird zur Nagelprobe für den Zusammenhalt unter den vier Partnern. Denn es geht in den nächsten Wochen nicht mehr um die Zuteilung von Zuschüssen aus einem üppigen Budget, sondern um die gerechte Verteilung von Lasten und um Sparvorgaben. Der Gestaltungswille wird hinter den Realitäten einer finanziell zunehmend klammen Landeshauptstadt zurücktreten müssen.

Dem Vernehmen nach knirscht es deutlich unter den Partnern, weil die Verteilungskämpfe härter werden. Den weiteren Abgang eines Stadtverordneten kann sich das Bündnis aber nicht mehr leisten, ohne die eigene Mehrheit zu verlieren. Das wäre zwar nicht das unmittelbare Aus für das Ostfeld, hinter dem noch immer eine breite bürgerliche Mehrheit steht. Doch politisch wäre das letzte Kapitel für ein Bündnis aufgeschlagen, das in der Öffentlichkeit den Eindruck einer in weiten Teilen stümperhaften Politik hinterlässt.

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Baldiges Ende einer stümperhaften Stadtpolitik?

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31.03.2024

Der Austritt des Stadtverordneten Ronny Maritzen aus der Grünen-Rathausfraktion in Wiesbaden kommt spät, aber nicht unerwartet. Konsequenterweise hätte der Austritt des von Anfang an vehementen Ostfeld-Kritikers schon viel früher erfolgen müssen. Denn das Ostfeld ist nicht irgendein Projekt neben vielen anderen Vorhaben der Stadtentwicklung. Es steht exem­plarisch für die Richtung, in die sich Wiesbaden in den nächsten Jahrzehnten entwickeln will. Wer das für einen Irrweg hält, der darf sich nicht im Stadtparlament kleinlaut geben und außerhalb zu den Wortführern des Widerstands zählen.

Der Oberbürgermeister sieht in dem 27. Wiesbadener Stadtteil eine Antwort auf die seiner Überzeugung nach drängendste soziale Frage........

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