Die Gerichte entlasten, Gefängniskosten sparen und Armut nicht zusätzlich hart bestrafen. Die Argumente gegen eine strafrechtliche Verfolgung von Schwarzfahrern klingen eingängig. Sie sind es aber nicht. Der Arbeitsaufwand, den die Verfolgung eines Deliktes für die Ermittler und die Richter bedeutet, kann in einem Rechtsstaat kein Argument für dessen Streichung aus dem Strafrechtskatalog sein. Gegebenenfalls muss dieser Rechtsstaat eben die Kapazitäten aufbauen, um dem Recht zeitnah Geltung zu verschaffen.
Am Ende geht es darum, die Übertretung staatlich gesetzter Normen angemessen zu sanktionieren und ein sozialschädliches Verhalten nicht zuzulassen. Mit den gleichen Argumenten, Schwarzfahrer vor dem Strafrecht zu bewahren, könnte auch begründet werden, den Ladendiebstahl von Bedürftigen nicht länger staatlich zu ahnden. Möge der Ladenbesitzer die Wiedergutmachung seines Schadens doch zivilrechtlich einklagen.
Nach der aberwitzigen Entscheidung des Wiesbadener Linksbündnisses liegt es nahe, überschuldeten und daher zahlungsunfähigen Bürgern dringend zu empfehlen, niemals eine Fahrkarte zu kaufen. Denn die zivilrechtliche Forderung von Eswe Verkehr wird der notorische Schwarzfahrer ohnehin nicht bedienen können und müssen.
Dass Eswe Verkehr ganz offen der Mehrheitsmeinung unter den Stadtverordneten und der neuen Rechtsdezernentin widerspricht, ist ein Novum und Ausdruck einer berechtigten Sorge. Es ist politisch widersinnig, einerseits das ausufernde Defizit bei Eswe Verkehr zu beklagen und andererseits eine Entscheidung zu treffen, die Schwarzfahrer ermutigt und zu geringeren Einnahmen führen wird. Kontrollen ohne begleitende Polizisten werden sinnlos, weil die Kontrolleure – wenn keine Straftat oder Ordnungswidrigkeit vorliegt – die Personalien des Schwarzfahrers gar nicht mehr feststellen werden können.
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Hinzu kommt der mit der Entscheidung verbundene Schlag gegen das Gerechtigkeitsempfinden derjenigen, die brav ihr Ticket lösen, ehe sie einen Bus besteigen. Dass ausgerechnet die neue Ordnungsdezernentin dafür plädiert, eine Straftat künftig nicht mehr zu verfolgen, ist Ausdruck eines bedenklichen Linksrucks in der Wiesbadener Stadtregierung.