Eine zweite Amtszeit war beileibe nicht allen Präsidenten der Europäischen Kommission vergönnt. Ursula von der Leyens unmittelbarer Vorgänger Jean-Claude Juncker verzichtete von sich aus. Die zweite Deutsche an der Spitze der wichtigsten EU-Institution hat sich auf das Rennen im Brüsseler Haifischbecken aber vorbereitet. Von einer „intuitiven“ Entscheidung wie bei ihrer ersten Wahl kann diesmal keine Rede sein.

Von der Leyen hat ihr Amt genutzt, um politische Freundschaften unter den Staats- und Regierungschefs und im Europäischen Parlament zu pflegen. Sie achtet vor allem auf ihr Verhältnis zu Macron, dem sie ihre erste Amtszeit verdankt. Aber auch mit Meloni kann sie erkennbar gut, was ihr Optionen weit über die Mitte hinaus eröffnet.

Trotzdem ist die Nominierung durch die CDU noch der leichtere Schritt. Die Partei hätte es sich nicht leisten können, die eigene Kommissionspräsidentin zu verschmähen, auch wenn sie in Habitus und Politik Merkel deutlich näher steht als Merz. Die Europäische Volkspartei dürfte sie im März ebenfalls zur Spitzenkandidatin küren, einen Konkurrenten hat sie nicht.

Die Stunde der Wahrheit schlägt nach der Europawahl: Im Europäischen Rat hat sich noch jeder Kommissionspräsident Feinde gemacht, und im Parlament muss sie ihre schwarz-rot-liberal-grüne Koalition zusammenhalten. Das wird nicht ganz einfach werden auf einem Kontinent, in dem die Parteien nicht nur in Deutschland um mehr Profilierung bemüht sind, und in einem Parlament, in dem die Rechtspopulisten voraussichtlich stärker werden.

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Eine Besonderheit hat Leyens Kandidatur. Sie beruht auf der stillschweigenden Annahme, dass die Bundesregierung sie als deutsche Kommissarin vorschlägt. Das ist sogar so im Koalitionsvertrag angelegt, weil die Grünen sie wegen des Klimaschutzes als Verbündete betrachten. Wenn die Ampel eine Unionspolitikerin nach Brüssel schickt, wird das allerdings nicht jeder (linksliberale) Wähler als Ausdruck von Stärke empfinden.

QOSHE - Freund und Feind in Brüssel - Nikolas Busse
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Freund und Feind in Brüssel

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19.02.2024

Eine zweite Amtszeit war beileibe nicht allen Präsidenten der Europäischen Kommission vergönnt. Ursula von der Leyens unmittelbarer Vorgänger Jean-Claude Juncker verzichtete von sich aus. Die zweite Deutsche an der Spitze der wichtigsten EU-Institution hat sich auf das Rennen im Brüsseler Haifischbecken aber vorbereitet. Von einer „intuitiven“ Entscheidung wie bei ihrer ersten Wahl kann diesmal keine Rede sein.

Von der Leyen hat ihr Amt genutzt, um politische Freundschaften unter den Staats- und Regierungschefs und im Europäischen Parlament zu........

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