Die wichtigste Person der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz war weder anwesend noch hielt sie eine Rede. Trumps Schatten hing wie eine dunkle Wolke über dem Bayerischen Hof, in dem sich vor allem jener Teil der globalen Politelite versammelte, der an eine „regelbasierte“ Weltordnung glaubt. Das sind allen voran Trumps innenpolitische Wettbewerber.

Vizepräsidentin Harris nutzte ihren Auftritt in der bayerischen Hauptstadt zu einer Rede, die sich im Wahljahr erkennbar auch an das heimische Pu­blikum richtete: Sie beschwor Amerikas globale Führungsrolle mit dem Argument, dass diese nichts mit Wohltätigkeit zu tun habe, sondern den eigenen Interessen diene.

Was Trump angerichtet hat, war in München ungeschminkt zu beobachten. Trotz der eigentlich guten Nachricht, dass dieses Jahr voraussichtlich 18 Verbündete das Zweiprozentziel der NATO erreichen werden, forderte der republikanische Senator Pete Ricketts, dass Europa mehr tun müsse. Während Harris von Amerikas „heiliger Verpflichtung“ für die NATO sprach, suchen Republikaner offenbar weiter nach Gründen, Verbündete nicht zu verteidigen.

Ricketts, der für die Unterstützung der Ukraine ist, aber gegen das jüngste Hilfspaket gestimmt hatte, ließ die Europäer außerdem kühl wissen, dass jedes Land seine Prioritäten habe. In Amerika sei das die Sicherung der Südgrenze. Das mit der Ukrainehilfe werde nun etwas dauern.

Über den Ausgang der laufenden Verhandlungen im Repräsentantenhaus sagt das noch nichts, wohl aber über die Haltung, auf die sich Europa im Falle einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus einzustellen hat. In München entstand nicht der Eindruck, dass alle Europäer die potentielle Tragweite dieser Entwicklung schon begriffen haben.

Für Deutschland gilt das inzwischen weniger als für andere größere EU-Staaten. Es ist einer der 18 Verbündeten, die 2024 das Zweiprozentziel einhalten werden, was der Bundesregierung in den Redebeiträgen erstaunlich wenig gutgeschrieben wurde. Auch bei der Unterstützung der Ukraine ist Deutschland allen anderen Ländern Europas weit enteilt, selbst den Briten. Im vergangenen Jahr musste der Bundeskanzler in München um Panzer werben, diesmal bat er um Milliarden für das überfallene Land.

Auch wenn man eine Tagung nicht überbewerten sollte, so fiel die Abwesenheit des französischen Präsidenten auf, die auf eine insgesamt geringe materielle Unterstützung der Ukraine durch Paris folgt. Nicht mal der Außenminister kam, nur Macrons diplomatische Berater. Eine oft übersehene Entwicklung der vergangenen zwei Jahre ist Frankreichs Ausfall als Führungsnation in einer Schicksalsstunde Europas. Und der italienische Außenminister sagte ganz offenherzig, sein Land sei nun mal nicht die USA.

Auf diese europäischen Staaten wird es aber ankommen, sollte Trump gewinnen, nicht so sehr auf die kleineren Länder im Osten, die schon jetzt aufrüsten und der Ukraine helfen. Auch die Einsetzung eines Verteidigungskommissars in Brüssel, den von der Leyen für den Fall ihrer Wiederwahl ankündigte, wird Putin nicht abschrecken.

Selenskyj war wieder der beklatschte Star in München. Stürmischer Beifall hilft aber nicht an der Front, wie gerade erst der Fall Awdijiwkas gezeigt hat. Der ukrainische Präsident musste wieder um Waffen und Munition bitten, nicht zuletzt für die Artillerie. Hier stößt auch das gewachsene deutsche Engagement weiterhin an eine Grenze: Scholz ließ keine Bereitschaft erkennen, Taurus-Marschflugkörper an Kiew zu liefern.

Dass Putin unnachgiebig ist, ließ er dem versammelten Westen auf seine Mafiaart wissen, indem er zu Beginn der Konferenz den Tod Nawalnyjs bekannt geben ließ. Auf den Panels war denn auch oft die Überzeugung zu hören, dass als Nächstes die Balten oder Polen dran sein könnten, sollte Russland in der Ukraine siegen.

Ein Erkenntnisdefizit gibt es also nicht. Dass Europa trotzdem nicht mehr tut für seine Verteidigung und die Ukraine, dürfte mit einer Entwicklung zusammenhängen, die unter dem Titel „Butter oder Kanonen“ abgehandelt wurde. Seit den Sechzigerjahren ist der Anteil der Sozialausgaben in westlichen Budgets ständig gewachsen, der der Verteidigung aber gesunken.

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Dass Pistorius in Aussicht stellte, dass Deutschland sogar 3 oder 3,5 Prozent für die Verteidigung ausgeben könnte, erscheint da kühn für einen Sozialdemokraten. Die Ampel muss vielmehr aufpassen, dass sie dieses Ziel nicht durch die Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts erreicht.

Keine größere Rolle spielte in München die deutsche Diskussion über einen nuklearen Schutzschirm der Europäer. NATO-Generalsekretär Stoltenberg war sogar strikt dagegen, weil er es als eine Schwächung der bestehenden Abschreckung durch die Allianz sah. Das gilt allenfalls bis zum Wahltag in Amerika.

QOSHE - Die Lektion noch nicht gelernt - Nikolas Busse
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Die Lektion noch nicht gelernt

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18.02.2024

Die wichtigste Person der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz war weder anwesend noch hielt sie eine Rede. Trumps Schatten hing wie eine dunkle Wolke über dem Bayerischen Hof, in dem sich vor allem jener Teil der globalen Politelite versammelte, der an eine „regelbasierte“ Weltordnung glaubt. Das sind allen voran Trumps innenpolitische Wettbewerber.

Vizepräsidentin Harris nutzte ihren Auftritt in der bayerischen Hauptstadt zu einer Rede, die sich im Wahljahr erkennbar auch an das heimische Pu­blikum richtete: Sie beschwor Amerikas globale Führungsrolle mit dem Argument, dass diese nichts mit Wohltätigkeit zu tun habe, sondern den eigenen Interessen diene.

Was Trump angerichtet hat, war in München ungeschminkt zu beobachten. Trotz der eigentlich guten Nachricht, dass dieses Jahr voraussichtlich 18 Verbündete das Zweiprozentziel der NATO erreichen werden, forderte der republikanische Senator Pete Ricketts, dass Europa mehr tun müsse. Während Harris von Amerikas „heiliger Verpflichtung“ für die NATO sprach, suchen Republikaner offenbar weiter nach Gründen, Verbündete nicht zu verteidigen.

Ricketts, der für die Unterstützung der Ukraine ist, aber gegen das jüngste Hilfspaket gestimmt hatte, ließ die Europäer........

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