Achtundneunzig Prozent der rund dreihundert Raketen und Drohnen, die Iran in der Nacht zu Sonntag auf Israel abgefeuert hat, sind von der israelischen Raketenabwehr und von Kampfflugzeugen der Israelis, Amerikaner und Briten abgeschossen worden. Der Schaden, den der Angriff verursacht habe, sei gering, heißt es aufseiten der Angegriffenen.

Im Internet aber sieht es, wenn man auf Seiten geht oder Accounts verfolgt, die das iranische Regime unterstützen, so aus, als lägen Tel Aviv und Jerusalem in Schutt und Asche. Dabei sind die Bilder und Videos, die sich in Windeseile verbreiten, entweder mit Künstlicher Intelligenz erschaffen worden oder aus dem Zusammenhang gerissen, sie laufen auf staatlichen iranischen Kanälen ebenso wie auf Amateurseiten.

Gegenwind bekommen die Freunde der Ajatollahs allerdings auch gleich. Die iranischen Revolutionsgarden warnen vor Accounts, die vermeintlich von Exiliranern stammten und die israelische Abwehr des Angriffs priesen. Im Stahlgewitter der Desinformation, das auf Social Media tobt und dessen insbesondere die Plattform X (vormals Twitter) nicht Herr wird, ist die Wahrheit nicht mehr zu erkennen.

Desinformation als Mittel der Kriegsführung ist so alt wie die bewaffnete Auseinandersetzung von Menschen selbst, aber dank KI ist sie inzwischen so täuschend echt, dass sie umgehend zu erkennen und zu widerlegen selbst den Experten schwerfällt.

Im Falle Irans lag sie allerdings derart daneben, dass auch in der arabischen Welt die Stunde der Spötter schlägt. Die Deutsche Presse-Agentur verweist etwa auf Alaa Mubarak, den Sohn des verstorbenen ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak, mit der Einlassung, Iran habe eine „schlechte Show“ abgezogen. Papierflieger steigen in die Luft, und fleißig geteilt wird ein Kurzvideo, das einen Raketenwerfer zeigt, der schwer mit Gurken beladen ist: Raketen zu Gurken, lautet die Formel.

Die Nachrichtenseite „Independent Arabia“, so berichtet ebenfalls dpa, die einem saudischen Herausgeber mit Verbindungen zur Königsfamilie gehöre, habe eine Karikatur veröffentlicht, die zeige, wie das iranische Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Khamenei versuche, den israelischen Ministerpräsidenten mit Messern zu bewerfen, was ihm aber nicht gelingt, weil ihm eine israelische Rakete im Arm hängt.

Über derartige Witzigkeiten gerät selbstverständlich aus dem Blick, was der Großangriff Irans auf Israel bedeutet, auch wenn dessen Schäden zunächst erfreulich gering erscheinen. Wer den Propagandisten des „Palästina-Kongresses“, der in Berlin am Freitag unterbunden wurde, im Internet aber am Sonntag doch stattfand und die Auslöschung Israels propagierte, zuhört, weiß freilich, dass Fanatiker sich weder durch Fakten noch Spott beirren lassen.

QOSHE - Raketen zu Gurken - Michael Hanfeld
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Raketen zu Gurken

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16.04.2024

Achtundneunzig Prozent der rund dreihundert Raketen und Drohnen, die Iran in der Nacht zu Sonntag auf Israel abgefeuert hat, sind von der israelischen Raketenabwehr und von Kampfflugzeugen der Israelis, Amerikaner und Briten abgeschossen worden. Der Schaden, den der Angriff verursacht habe, sei gering, heißt es aufseiten der Angegriffenen.

Im Internet aber sieht es, wenn man auf Seiten geht oder Accounts verfolgt, die das iranische Regime unterstützen, so aus, als lägen Tel Aviv und Jerusalem in Schutt und Asche. Dabei sind die Bilder und Videos, die sich in Windeseile verbreiten, entweder mit Künstlicher Intelligenz erschaffen worden oder aus dem Zusammenhang gerissen,........

© Frankfurter Allgemeine


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